Jerusalem
Heilige Stadt und politische Interessen
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07.12.2017
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„Ich kann nicht erkennen, inwiefern der Schritt des US-Präsidenten Donald Trump hilfreich ist. Mit seiner Aussage verlässt er die bisherige Linie der US-Außenpolitik im Nahost-Konflikt ernsthaft zu vermitteln“, so die persönliche Einschätzung Friedhelm Piepers, Referent für interreligiösen Dialog im Zentrum Oekumene der EKKW und EKHN. Er bezieht sich damit auf die Aussage des US-Präsidenten vom 6. Dezember 2017, nach der die USA Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen. Pfarrer Piper befürchtet, dass es dadurch für die US-Regierung schwieriger werde, die Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern wieder voran zu bringen. Der Referent verdeutlicht: „Die Fronten sind verhärtet, Gespräche werden schwieriger werden.“ Allerdings habe sich an der Notwendigkeit einer Verhandlungslösung nichts geändert.
Aussagen mit Fragezeichen
US-Präsident Trump hatte allerdings auch gesagt, dass die USA weiterhin eine Zwei-Staaten-Lösung unterstützten, wenn beide Seiten sie wollten, und dass der Beschluss keine Entscheidung über den Grenzverlauf vorwegnehme. Zudem nehme die Entscheidung aus Washington keine spätere Einigung über den Endstatus von Jerusalem vorweg. „Hier ist unklar, was der Präsident genau meint vor dem Hintergrund seiner Aussage zur Hauptstadtfrage“, bemerkt Friedhelm Pieper.
Enttäuschung auf der palästinensischen Seite
Als Reaktion auf die Aussage Trumps nimmt Friedhelm Pieper wahr, dass viele Palästinenser enttäuscht seien. Er erklärt: „Sie haben sich darauf verlassen, dass die US-Regierung ernsthaft versucht, Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern zustande zu bringen. Das ist jetzt in Frage gestellt.“ Palästinenser könnten den Eindruck haben, dass ihre eigenen Perspektiven in künftigen Verhandlungen weniger ernst genommen würden.
Jerusalem – Zentrum der Religionen
Friedhelm Pieper macht auf die außergewöhnliche Bedeutung Jerusalems aufmerksam: „Jerusalem ist für Jüdinnen und Juden ein geschichtsträchtiges Symbol für erlebte, eigene Unabhängigkeit im Land.“ Laut Überlieferung regierte von dieser Stadt aus König David, hier stand der jüdische Tempel. Pfarrer Pieper erklärt: „Jerusalem hat für jüdischen Lebens weltweit eine zentrale Bedeutung; es gibt jahrhundertealte Gebete, in denen die Sehnsucht der Rückkehr nach Jerusalem beschrieben ist.“ Insofern sei das Vorgehen, Jerusalem als Hauptstadt zu erklären, nachvollziehbar. Der Pfarrer gibt allerdings zu bedenken: „Für eine nachhaltige Lösung sollte der politische Kontext berücksichtigt werden. Und dabei sollte auch die Perspektive der Muslime Berücksichtigung finden.“
Denn für Muslime ist der Tempelberg in Jerusalem ebenfalls wichtig: Hier soll der Prophet Mohammed seine Himmelsreise angetreten haben, daran erinnert der Felsendom mit seiner goldenen Kuppel. Jerusalem ist heute die drittwichtigste heilige Stätte des Islam. Für Christen gilt Jerusalem als Ort der Kreuzigung und Auferstehung Jesu.
Absage an Terror und Gewalt
Gegenwärtig werden auch gewaltsame Signale auf die Mitteilung des US-Präsdienten laut. So hat nach Presseberichten die Terrororganisation Hamas eine neue Intifada ausgerufen. Friedhelm Pieper macht deutlich: „Ich lehne ganz entschieden terroristische Gewalt ab! Da wird nur neues Leiden geschaffen und neue Hürden für Gespräche. Die Hamas vertritt seit Jahren die Position, gegen Israel einen gewaltsamen Kampf zu führen, wir kennen die Anschläge.“ Nun nutze sie die Gelegenheit, um ihre eigene Position bei den Palästinensern nach vorne zu treiben.
Auswirkungen in Deutschland
Der Referent für den Dialog mit dem Judentum hat in den letzten Jahren bemerkt: „Der ungelöste Nahost-Konflikt beeinflusst auch in Deutschland Gespräche mit Jüdinnen und Juden. Es haben sich Gruppen entwickelt, die einseitig eine palästinensische Perspektive unterstützen, andere solidarisieren sich stark mit der israelischen Seite.“ Deshalb weist er auf ein Wort des Internationalen Rates der Christen und Juden hin, das dazu ermutigt, die jeweils andere Seite im Nahost-Konflikt stärker in den Blick zu nehmen.
Vertrauen als Bedingung für eine Lösung
Der evangelische Experte für das Judentum geht davon aus, dass es für die komplexe Lösung des Nahost-Konfliktes ausreichend Vertrauen auf beiden Seiten braucht. Er beschreibt: „Deshalb ist es so wichtig, die Perspektive des anderen in das eigene Handeln einzubeziehen.“ Er hoffe auf einen Konsens in Verhandlungen einer Zwei-Staaten-Lösung, in der auch eine Lösung für Jerusalem gefunden werde – dabei sollten allerdings die Sichtweisen beider Seiten berücksichtigt werden. Pieper hofft, dass Israelis und Palästinenser wieder einen Weg finden, der von den verhärteten Fronten weg – und hin zu ernsthaften Gesprächen führt: „Im Interesse der Menschen, die vor Ort leben, damit Leiden und Gewalt überwunden werden können.“
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