Lutherglossen
„Mir geht’s prima! Echt?“
privatHans-Joachim Greifenstein nimmt die Probleme der Gesellschaft unter die Lupe und fragt: Was würde Luther dazu sagen?25.06.2024 sru Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Von Hans-Joachim Greifenstein
Ist Ihnen das auch schon mal aufgefallen? In jedem zweiten US-amerikanischen Spielfilm gibt es a) eine wilde Autoverfolgungsjagd und b) eine wüste Schießerei. Das kommt wohl vom „Cowboy & Indianer-Spielen“, das tief in dieser Kultur verwurzelt ist. Und immer wenn bei der Schießerei einer von den Guten getroffen wird, fragt ihn sein Kumpel: „Bist Du okay?“ Und dann antwortet der zuvor von mehreren Salven Durchsiebte mit gequetschter Stimme: „Ja, alles klar. Mir geht’s gut.“
Mich hat das schon immer schwer beeindruckt. US-Helden kann es so hart treffen wie es will, es geht ihnen trotzdem irgendwie immer gut. Ein Indianer kennt eben keinen Schmerz und wenn es ein Cowboy ist...
Zuzugeben, dass es einem schlecht geht, ist ja auch nicht gerade sexy. Haben Sie mal auf die beiläufig gestellte Frage: „Wie geht’s?“ mit einem klaren „Danke, schlecht!“ geantwortet? Hui, das ist vielleicht peinlich! Meistens zuckt das Gegenüber ein bisschen zusammen, murmelt dann irgendwas („das Leben ist ja auch manchmal wirklich...“) und macht sich vom Acker. Glückspilze sind nun mal beliebter als Pechvögel und wer hinkt schon gern, wenn alle tanzen? In einer Welt voller Kraftprotze erfordert es schon sehr viel Mut, ein Schwächling sein dürfen zu wollen. Und den haben wir oft nicht und darum sind wir routinierte Stimmungs-Schwindler. Wäre unser Leben ein Einzelhandelsgeschäft so wäre unser Schaufenster meistens auf Fasching dekoriert und drinnen gäb es nur Passionszeit, und es käme keiner an uns ran, denn an der Tür hing ein Schild: „Wegen Angst geschlossen.“
Zum Glück gibt es so etwas wie Ostern und damit die Grundsubstanz einer Anti-Angst-Arznei: „Der Teufel hat mich geplagt und ich habe Phantasien gehabt, dass ich vom Donner erschlagen werde. Da antwortete ich ihm: Leck mich am Arsch. Jetzt will ich schlafen und nicht disputieren“, hat Martin Luther einmal bei Tisch nach einer schlimmen Nacht erzählt. Er hat oft und offen von seinen Ängsten berichtet: „Ich habe diesen Vers (Ps 6,7) durch eigene Erfahrung gelernt: 'Ich schwemme mein Bett die ganze Nacht und netze mit Tränen mein Lager.' Dennoch hat Satan niemals gesiegt; er hat sich an Christus verbrannt.“ Glück gehabt, Herr Luther! Nein, hätte er geantwortet: Das ist kein Glück sondern Gnade: „Der Geist der Traurigkeit ist vom Teufel... Sei tapfer im Herrn! Es wird besser werden.“
Luther war kein Kraftprotz, beim Autorennen wäre er nicht immer auf der linken Spur gewesen. Und die Treffer, die er abbekommen hat, haben ihn geschmerzt. Er hatte den Mut, sich damit anderen anzuvertrauen. Er war kein Wissens-, sondern ein Glaubensheld. Kein Strahlemann, aber ein Kämpfer. Und er hat gewusst, dass man nicht als „lonesome Cowboy“ selig werden kann: „Es soll auch kein Mensch allein sein gegen den Satan, deshalb hat er die Kirche eingesetzt und das Predigtamt, dass man die Hände zusammentue und helfe einander, hilft eines Beten nicht, so hilft das andere.“
Hans-Joachim Greifenstein hat zusammen mit Clajo Herrmann der Erste Allgemeine Babenhäuser Pfarrer(!) Kabarett gegründet. Am 4. Februar 2024 ist Clajo Herrmann im Alter von 68 Jahren überraschend gestorben. Hans-Joachim Greifenstein hat sich entschieden, alleine weiter zu machen. Wie es ihm dabei geht, schildert er auf www.pfarrerkabarett.de/ Hier gibt es auch die Termine.
Die Lutherglossen sind zum Reformationsjubiläum im Magazin „blick in die Kirche” der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) erschienen.
Bisher veröffentlicht:
Freiheit = Chaos + Verderben?
Konfirmanden ade
Abschied und Aufbruch
Auf die Kleinen hören
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