Dekanat Vorderer Odenwald

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    Olympia 2016

    Kirchenpräsident Jung: „Doping – das wollen wir nicht!“

    R. DeschnerKirchenpräsident Dr. Volker JungKirchenpräsident Dr. Volker Jung

    Am 5. August startet Olympia 2016. Als Sportbeauftragter der EKD zeigt Kirchenpräsident Jung seine Wertschätzung für die olympische Idee, Völkerverständigung zu fördern. Im Vorfeld standen allerdings Berichte über mutmaßliches, systematisches Doping im Vordergrund. Volker Jung findet deutliche Worte.

    Laut Olympischem Sportbund gehört es zu den Zielen der Olympischen Bewegung, junge Menschen im Geiste von Freundschaft, Solidarität und Fair Play zu erziehen. Diese Gedanken erhalten auch die Zustimmung von EKHN- Kirchenpräsident Dr. Volker Jung, Sportbeauftragter der EKD: „Ich finde die olympische Idee im Kern prima.“ Doch Berichte über mutmaßlich systematisches Doping im Vorfeld der Olympischen Spiele 2016 lassen erahnen, dass noch einiges getan werden muss, um diese Ziele zu erreichen. Beim Thema Doping wird Kirchenpräsident Jung deutlich: „Wir wollen sauberen Sport und auch als Zuschauerinnen und Zuschauer nicht betrogen werden. Wir wollen Spaß haben am Sport!“ Als Sportbeauftragter der EKD äußert er sich zudem über seine Aufgaben, die Gemeinsamkeiten von Kirche und Sport, die Situation in Brasilien, Leistungsdruck im Freizeitsport und die Vergabepraxis von sportlichen Großveranstaltungen. Auch seine eigenen sportlichen Vorlieben verrät er.

    Welche Rolle spielt Sport in Ihrem Leben?

    Volker Jung: Sport ist für mich außerordentlich wichtig. Ich habe schon als Kind damit begonnen und auch als Jugendlicher viel Sport getrieben. Ich habe relativ lange aktiv Fußball gespielt, Leichtathletik gemacht und auch früh angefangen, Ski zu fahren. Grundsätzlich versuche ich heute, drei Mal pro Woche Sport zu machen, meistens laufe ich abends eine Stunde, das heißt knapp zehn Kilometer. Sport ist etwas, wovon ich das Gefühl habe, dass es mich stärkt. Und zwar nicht nur körperlich, Sport entspannt mich und gibt mir neue Kraft.

    Sie sind Sportbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland. Was hat Kirche mit Sport zu tun?

    Volker Jung: Zum einen: Wir glauben, dass Gott uns Menschen geschaffen hat mit Leib und Seele. Der Körper ist uns auch gegeben, dass wir gut und respektvoll damit umgehen. In der Bibel bezeichnet ihn Paulus sogar als „Tempel des heiligen Geistes“ (1.Korinther 6,19). Dabei geht es gerade nicht darum, den Leib zu vergötzen, sondern als gute Gabe zu würdigen. Der christliche Glaube sieht Menschen ganzheitlich. Sofern man es kann, gehören Bewegung und Sport für mich zu einem guten Umgang mit dem Körper. Die zweite Dimension ist die gesellschaftliche. Ich glaube, Kirche und Sport haben als wichtige gesellschaftliche Kräfte auch einiges gemeinsam: Beide können zum Zusammenhalt der Gesellschaft beitragen. Sie können viel dafür leisten, dass Menschen aus allen Bevölkerungsgruppen mitgenommen und  zusammengeführt werden. Integration ist für Kirche und Sport ein ebenso großes Thema wie der Kampf gegen Rassismus. Es lohnt sich auch, nach Kooperationen zu suchen. Ich freue mich immer, wenn es auf lokaler Ebene gelingt, dass Kirchengemeinde und Sportvereine etwas zusammen machen, etwa eine Laufveranstaltung organisieren, die mit einem guten Zweck verbunden ist.

    Was gehört zu Ihren Aufgaben als Sportbeauftragter?    

    Volker Jung: Eine Aufgabe ist es, Kontakte zu den Spitzenverbänden zu pflegen. Es gibt natürlich Gespräche auf Spitzenebene mit dem Deutschen Olympischen Sportbund, mit dem Deutschen Fußballbund, mit dem Deutschen Turnerbund und anderen Sportverbänden. Einige Kontakte müssen neu auf den Weg gebracht werden. Mein Ziel ist, dass man sich regelmäßig  zusammensetzt. Da geht es auch darum, gemeinsame, gesellschaftliche Ziele zu identifizieren und Kooperationen auszuloten. Es geht auch um ethische Fragen, bei denen die Organisationen vor großen Herausforderungen stehen. Ich möchte das nicht als einseitiges Verhältnis verstehen, bei dem die Kirche ethische Anleitungen liefert. Ich glaube, man lernt eher voneinander. Dann gehört es vielleicht auch zu den Aufgaben, gemeinsame Stellungnahmen zu veröffentlichen. Vertreten und vernetzen möchte ich auch, was die einzelnen Landeskirchen für den Bereich Kirche und Sport leisten, sie tun einiges. In fast allen Landeskirchen gibt es Arbeitskreise für Kirche und Sport. Und schließlich gibt es bei manchen sportlichen Großereignissen Gottesdienste, in denen ich mitwirken werde.

    Was fasziniert Sie am olympischen Wettbewerb?

    Volker Jung: Ich finde die olympische Idee im Kern prima. Wie der Erfinder der modernen olympischen Spiele Baron Pierre de Coubertin sagte, die jungen Menschen sollen sich nicht auf den Schlachtfeldern bekriegen, sondern einen fairen sportlichen Wettkampf miteinander pflegen und damit einen Beitrag zur Völkerverständigung und zum Frieden leisten. Diesem Kern kann man ja nur zustimmen. Und Sport hat in der Tat, wenn es gut gemacht und so gewollt ist, eine völkerverbindende Kraft. Das ist mehr denn je gefragt.

    Bei welcher Sportart fiebern Sie mit?

    Volker Jung: Mich interessieren wirklich viele Sportarten. Das fängt beim Dressurreiten an, reicht aber auch bis zum Ringen oder Boxen. Mein besonderes Augenmerk gilt bei den olympischen Spielen schon der Leichtathletik. Die Lauf- und Sprintwettbewerbe, auch die Staffeln finde ich immer spannend, das habe ich früher ja selbst gemacht.

    Brasilien befindet sich in einer tiefen Krise. Zika-Virus, Umwelt- und  wirtschaftliche Probleme. Ist es richtig, in einem solchen Land ein Sportfest zu feiern?

    Volker Jung: Unbeschwert feiern kann man sicher nicht. Ich halte es auch für falsch, vor den Problemen im Land die Augen zu verschließen. Umgekehrt muss man sagen, dass solche großen Sportereignisse auch immer die Chance für ein Land bieten, sich den eigenen Problemen auch vor der Weltöffentlichkeit zu stellen. Deshalb wäre es schlecht, wenn man sagte, olympische Spiele können nur in Ländern stattfinden, wo man wirklich sicher sein kann, dass alles stimmt. Wo stimmt denn auch alles? Dennoch habe ich Anfragen an die Vergabepraxis von olympischen Spielen. Ich würde mir wünschen, dass man im Vorfeld sehr viel genauer hinschaut. Welches Bewusstsein für die Probleme in einem Land bringt eine Bewerbung für Olympia mit sich? Sind die Konzepte wirklich auf Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit angelegt? Können sie dem Land dauerhaft nutzen oder baut man Sportarenen, die hinterher leer stehen?

    Gut wäre es, die olympischen Spiele oder andere sportliche Großereignisse in ihrem politischen Umfeld zu betrachten. Man muss zum Beispiel schauen, welche Regierungsform es gibt. Olympische Spiele in einer Diktatur zu veranstalten und diese damit zu stützen, geht gar nicht. Es muss auch geprüft werden, unter welchen Arbeitsbedingungen die Sportarenen gebaut werden. Denken wir etwa an die geplante Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Ich habe große Probleme damit zu sehen, dass man in der Wüste Sportarenen baut. Katar ist vielleicht nicht das richtige Land für den Fußball. Oft spielen bei der Vergabe die Reputation und ökonomische Motive eine viel zu große Rolle anstelle der ökologischen und sozialen Fragen. Im Übrigen denke ich, dass vorhandene Sportstätten stärker genutzt werden sollten.

    Inwieweit hat der Fernsehzuschauer in Hessen und Nassau die Möglichkeit, die Situation der Menschen in Brasilien zu verbessern?

    Volker Jung: Wer auf dieses Land aufmerksam wird und wem insbesondere die Situation der Kinder und Jugendlichen am Herzen liegt, der kann gute Entwicklungsprojekte unterstützen. Brot für die Welt etwa arbeitet mit einer Organisation in Brasilien zusammen, die die Situation von Kindern und Jugendlichen in den Armenvierteln, den Favelas, verbessern will. Oft stehen solche Projekte auch in enger Verbindung zum Sport. Fußball etwa wird genutzt, um Kinder und Jugendliche zusammen und in einen Bildungsprozess zu bringen. Hier kann man mit seiner Spende etwas tun.

    Laut Olympischem Sportbund prägt auch Freundschaft den Sport. Sie selbst betonen, dass Kirche und Sport gemeinsame Aufgaben hätten, wie beispielsweise den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Klar ist aber auch: Wer bei Olympia teilnimmt, will gewinnen. Der Nächste ist also vor allem ein Konkurrent. Wie passen Konkurrenz und Zusammenhalt zusammen?

    Volker Jung: Das ist meines Erachtens überhaupt kein Gegensatz. Jeder Mensch muss doch lernen, dass wir zwar konkurrieren, diese Konkurrenz aber nicht zur gewaltvollen Auseinandersetzung führen darf. Konkurrenz kann durchaus auch von Respekt getragen sein. Oft sind Sportler, die im Wettkampf konkurrieren, persönlich miteinander befreundet. Das ist sogar im Spitzensport so. Gerade im Sport ist wunderbar zu lernen, einen wirklich fairen Wettstreit miteinander zu haben.

    Nicht nur Olympiateilnehmende gehen bis oder über ihre körperlichen Leistungsgrenzen, das gilt zum Teil auch für Freizeitsportler wie Marathonläufer. Laut einer Studie soll jeder zweite Marathonläufer Schmerzmittel schlucken. Diese Freizeitsportler nehmen damit auch gesundheitliche Risiken in Kauf. Sie selbst waren Marathonläufer. Was ist da los?

    Volker Jung: Falscher Ehrgeiz. Das ist für mich nicht das, was Sport ausmacht. Denn Sport soll Menschen in einem guten Sinn nützlich sein. Wenn der Schaden größer als der Nutzen ist, wird es schwierig. Natürlich kann es beim Sport auch dazugehören, Grenzen auszutesten, aber auch Grenzen anzuerkennen. Ich mag den Sport gerne, weil man dabei etwas fürs ganze Leben lernen kann. Aber es läuft viel schief, wenn der Freizeitsport eine Art Körper- und Leistungskult produziert. Wenn Menschen sich in ihrer Freizeit mit Medikamenten versorgen, um sich selbst oder anderen etwas zu beweisen, dann ist das außerordentlich problematisch. Ich selbst habe unter den Menschen, mit denen ich Marathons gelaufen bin, niemanden gesehen, der ganz gezielt versucht, mit Medikamenten seine Leistung zu verbessern. Das ist auch viel zu riskant.

    Welche Impulse würden Sie einem betroffenen Freizeitsportlern geben?

    Volker Jung: Wenn sich ein Gespräch ergeben würde, würde ich versuchen, mit ihm über die Problematik zu sprechen: Welche Erwartungen haben Sie eigentlich? Was verbinden Sie mit dem Sport? Sind die Erwartungen angemessen, die Sie damit verbinden – für sich selbst, vielleicht auch für andere?
    Wenn man anfängt leistungsorientiert Freizeitsport zu machen, ist die körperliche Seite das eine. Es ist aber auch zu überlegen, wie der Sport in das familiäre und soziale Umfeld eingebettet wird. Das ist eine Dimension, die man nicht vernachlässigen darf. Sport braucht Zeit. Ich glaube es ist schwierig, wenn sich plötzlich eine ganze Familie nach dem Triathlon treibenden Vater oder der Triathlon begeisterten Mutter richten muss und alles darauf einstellt. Wenn man einen guten Weg findet – prima. Aber es ist eine Aufgabe, den Sport mit dem familiären Gefüge angemessen zu verbinden. 

    Sportler die dopen, betrügen machen ihren Körper kaputt, weil sie glauben, in diesem hochgezüchteten System sonst nicht bestehen zu können. Wird Doping auf der Tagesordnung stehen, wenn Sie Sportfunktionäre treffen?

    Volker Jung: Man kommt an dem Thema Doping nicht mehr vorbei. Dabei muss man das gesamte Umfeld betrachten: Warum Doping? Weil man Erfolg haben will, Erfolg ist für viele auch mit ökonomischem Erfolg verbunden, gerade im Profisport. Das Ganze ist zudem getrieben von einer medialen Aufmerksamkeit, die mit viel Geld verknüpft ist – Stichwort: Übertragungsrechte. Der Sport profitiert sehr von der öffentlichen Wahrnehmung und das ist zugleich die große Verführung des Sports. Dauerhaft wird das nur funktionieren, wenn die Zuschauerinnen und Zuschauer überzeugt sind: Hier werde ich nicht betrogen, hier kann ich Sport genießen. Ich selbst hatte immer viel Freude am Radsport und habe gerne bei der Tour de France zugesehen. Als immer mehr deutlich wurde, wie sehr der Sport vom Doping beeinflusst wird, habe ich den Spaß daran verloren.

    Rufen Sie zum Zuschauer-Boykott auf? 

    Volker Jung: „Nein. Das ist keine Lösung. Aber ich rufe schon dazu auf, dass auch Zuschauerinnen und Zuschauer deutliche Signale geben: Wir wollen nicht betrogen werden! Wir wollen Spaß haben am Sport und wir wollen uns darauf verlassen können, dass wir nicht hinters Licht geführt werden." Die Frage ist: Wie kann das Gesamtsystem Signale und Impulse bekommen, die zeigen: Doping wollen wir nicht! Zunächst betrifft Doping die einzelnen Sportler. Aber ich glaube, dass es dauerhaft um das Ansehen des Sportes insgesamt geht. Deswegen muss man Doping bekämpfen, man muss zu klaren Verabredungen kommen, was zulässig ist und welche Mittel in den normalen Bereich gehören und welche nicht. Dann braucht es auch ein international funktionierendes Kontrollsystem. Vieles krankt daran, dass es nicht gewährleistet ist, dass in allen Ländern nicht nach dem gleichen System verfahren wird. Es braucht eine Art wirksame Selbstverpflichtung der Sportler - da ist eine ganze Menge an Arbeit zu leisten. Man muss das Thema angehen, um die Reputation des Sports in der Gesellschaft zu sichern.

    Flaggen und Nationalhymnen gehören zu jedem internationalen Wettkampf dazu. Sollten nicht die Leistungen der einzelnen Sportler stärker im Vordergrund stehen als das Herkunftsland?

    Volker Jung: Da muss man nicht unbedingt einen Gegensatz aufmachen. Für viele Sportler ist es auch eine Ehre, für ihr Land zu starten. Es gibt eine große Bandbreite, die zwischen dem guten Stolz, für ein Land sportlich aktiv zu sein, und einem sehr problematischen Nationalismus steht. Der Sport bietet gerade die Chance, im Aufeinandertreffen der Länder auch die Buntheit zu genießen, zu sagen: Ich kenne und liebe mein Land und es ist schön, wenn es neben mir viele andere gibt, die ihr Land lieben. Wir müssen uns damit nicht abgrenzen, sondern wir können uns für ein gutes Miteinander öffnen. Gerade beim Sommermärchen 2006 haben viele Menschen genossen, dass viele bunte Fahnen beieinander waren und haben gesagt: Das ist schön so und wir genießen diese Vielfalt!  Das ist der Kern eines guten Toleranzverständnisses: Wir können miteinander in unserer Verschiedenheit zusammen sein.

    Die Paralympics beginnen drei Wochen nach den Olympischen Spielen und werden von manchen als Spiele zweiter Klasse wahrgenommen. Sollten sie nicht in die Olympischen Spiele integriert werden?

    Volker Jung: Das ist keine einfache Frage. Rein gefühlsmäßig würde man sagen: Ja, irgendwie müsste das zusammen gehen. Die reale Entwicklung sieht ein bisschen anders aus: Die Paralympics sind erst einmal auf einem sehr guten Weg. Sie haben sich als eigene sportliche Veranstaltung etabliert und genießen auch wachsende mediale Aufmerksamkeit. Daher weiß ich aus dem Bereich des Behindertensports, dass manche sagen: Wenn man beides zusammenbringt, besteht die Gefahr, dass wir weniger beachtet werden, nicht mehr in unserer Eigenständigkeit gewürdigt werden. Dann gehen wir unter.
    Ob es in Zukunft gelingen wird, eine solche gemeinsame Veranstaltung zu machen, das muss man sehen. Da braucht es vielleicht noch eine ganze Weile. Im Moment plädiere ich eher dafür, die mediale Aufmerksamkeit für die Paralympics zu stärken.

    Vielen Dank für das Gespräch!

    Die Fragen stellten Renate Haller von der Evangelischen Sonntags-Zeitung und Rita Deschner von der Multimedia-Redaktion der EKHN

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