Dekanat Vorderer Odenwald

Angebote und Themen

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    Hilfe für psychisch Kranke

    Wenn nachts düstere Gedanken kreisen

    Charlotte MattesUrsula Bender, stellvertr. Leiterin der EVIM Gemeindepsychatrie, übergibt Manfred Rosental den Schlüssel für das „ Café Nachtlicht“ in Wiesbaden.Ursula Bender, stellvertr. Leiterin der EVIM Gemeindepsychatrie, übergibt Manfred Rosental den Schlüssel für das „ Café Nachtlicht“ in Wiesbaden.

    Ein Selbsthilfe-Projekt tritt Vorurteilen über seelisch Erkrankte entgegen. Auf Augenhöhe sollen diese Menschen im „Café Nachtlicht“ über ihre Probleme sprechen können. Das Angebot ist auch offen für andere.

    Charlotte MattesDas Team des „ Café Nachtlicht“Das Team des „ Café Nachtlicht“

    Wenn die Tür aufgeht, weiß Manfred Rosental nicht, wer hereinkommen wird. „Vielleicht sind es Nachtschwärmer, die Party machen wollen“, sagt er. Oder ein Obdachloser, der in der Nacht einen Schlafplatz sucht. „Den werde ich nicht wieder wegschicken“, sagt Rosental. Seine Tür sei offen für jeden.

     Eine offene Tür, wenn düstere Gedanken kreisen

     Aber besonders hofft er, dass Menschen in psychischen Krisen die Tür öffnen und hereinkommen werden. Rosental, sein Mitstreiter Alexander Kummer und andere Ehrenamtliche wollen für diese Menschen da sein. Sie bieten ihnen nachts, wenn die düsteren Gedanken zu kreisen beginnen, eine offene Tür, ein offenes Ohr und eine entspannte Atmosphäre bei einer Tasse Tee. „Café Nachtlicht“ nennen sie ihr Angebot. Es soll Menschen mit seelischen Störungen Halt geben, wenn sie das Gefühl haben, in dem Strudel ihrer Gedanken unterzugehen.

     Regelmäßigkeit und Verlässlichkeit sind wichtig

    Acht Engagierte sind sie derzeit, darunter zwei Notfallseelsorger. Damit können sie einen Probebetrieb des Cafés starten, erst einmal jede Woche von Samstag auf Sonntag, jeweils von 20 bis 8 Uhr. „Diese Regelmäßigkeit und Verlässlichkeit brauchen wir auch“, unterstreicht Rosental, leicht schwäbischer Zungenschlag und silberner Haarschopf. Stets werden zwei Freiwillige anwesend sein, die sich in zwei sechsstündigen Schichten die Nacht teilen. Am 18. Juni geht ihr Café an den Start, der Evangelische Verein für Innere Mission in Nassau (EVIM) hat dafür Räume in der Wiesbadener Innenstadt zur Verfügung gestellt.

    Die Lücke zwischen Notaufnahme und Telefonseelsorge schließen

    Das Konzept haben sich Rosental und Kummer nicht selbst ausgedacht, solche Cafés gibt es bereits. In Wiesbaden aber noch nicht. Rosental hat bei einem Psychose-Seminar davon erfahren. Es schließt die Lücke zwischen der Notaufnahme einer Klinik und der Telefonseelsorge, wo man nur eine Stimme im Hörer hat, aber kein echtes Gegenüber. Es sei kein therapeutisches Konzept, betont der 56-Jährige: „Wir wollen nichts ersetzen.“ Es gehe ums Zuhören, um Tipps geben, und wenn die Krise besonders tief ist, holen sie sich professionelle Hilfe, zum Beispiel vom Rettungsdienst. Eventuell finden sich auch Psychiater, die in solche Fällen zur Verfügung stehen.

    Keine Hierarchie - Begegnung auf Augenhöhe

     „Die Erlebnisse und Gefühle in Krisenphasen führen zu Isolation. Das kennen wir von uns selbst“, erzählt Rosental. Projekte wie das „Café Nachtlicht“ kommen aus der Selbsthilfebewegung psychisch kranker Menschen. Auch Rosental und Kummer haben Erfahrungen als Patienten auf psychiatrischen Stationen. „Wir reagieren dann sicher sensibler als jemand, der das nicht aus eigenem Erleben kennt.“

     Im „Café Nachtlicht“ soll es keine Hierarchie geben, anders als in Kliniken, wo Ärzte und Pflegekräfte als Autoritäten auftreten. Die Ehrenamtlichen um Rosental und Kummer wollen ihren Klienten auf Augenhöhe begegnen.

    Niemand ist gegen seelische Erkrankungen gefeit

     Das Café soll auch mit Vorbehalten aufräumen. „Dann können wir mal dieses Denken durchbrechen, psychisch Kranke brächten nichts auf die Reihe“, sagt Rosental. Er ist in einer Kleinstadt bei Ulm aufgewachsen. „Dort gab es damals noch einen 'Dorfdeppen'“, erzählt er. „All das Abfällige, was meine Eltern über solche Menschen erzählt haben, steckt auch in mir drin. Ich habe lange gebraucht, um meine eigenen Vorurteile aufzuarbeiten.“ Niemand sei gegen seelische Erkrankungen gefeit, fügt er hinzu. Die Grenze der psychischen Belastbarkeit, ab der sie auftreten können, liege nur bei jedem woanders.

    Vorerst ist das Caféprojekt auf ein halbes Jahr geplant. Geht es nach Rosental, darf es ruhig noch ein wenig wachsen, sagt er: „Es wäre schön, wenn wir es das ganze Wochenende lang anbieten könnten.“ Weitere ehrenamtliche Helfer dazu seien ihm stets willkommen.

     

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