Dekanat Vorderer Odenwald

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    Heftige Diskussion im evangelischen Gemeindehaus in Kronberg

    Verleumdung oder Wahrheit?

    Siegfried Baier/pixelio.deKronberg gilt als gute Wohnlage

    Wenig schmeichelhaft für die Einwohner von Kronberg am Taunus war eine große Reportage, die sie in der Woche vor Weihnachten in der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit lesen mussten.

    Der Hamburger Zeit-Redakteur Hennig Sußebach war, gemeinsam mit einer Schauspielerin als Obdachlosen-Paar verkleidet, in der Woche vor dem dritten Advent einige Tage durch Kronberg gezogen und hatte Eindrücke gesammelt, die er dann unter dem Titel „Maria und Josef im Ghetto des Geldes“ pünktlich zu Weihnachten veröffentlichte. Unter anderem geriet dort der evangelische Pfarrer von Kronberg, Hans-Joachim Hackel, in ein wenig schmeichelhaftes Licht. Anlass für den Dekan des Dekanats Kronberg, Eberhard Kühn, den Autor zu einer öffentlichen Diskussion über seinen Text einzuladen, die am Abend des 30. Januar stattfand.

    Es solle eine achtsame Diskussion werden und ein differenziertes Gespräch. Das wünschte sich Dekan Eberhard Kühn zu Beginn, letztlich aber wurde es ein heftiger Meinungsaustausch. Das öffentliche Gespräch über den Artikel „Maria und Josef im Ghetto des Geldes“ mit dem Hamburger Autor Hennig Sußebach fand großes Interesse. Übereinstimmung gab es nicht. Die Frage, ob Kronberg mit der Veröffentlichung falsch dargestellt worden sei, blieb letztlich unbeantwortet.

    „Recherche mit vorgefassten Urteilen ist skandalös“

    Mehr als 200 Personen waren am Montagabend in den völlig überfüllten Hartmutsaal der Evangelischen Gemeinde St. Johann gekommen. Einige von ihnen machten dem Redakteur heftige Vorwürfe, dieser habe Kronberg verleumdet, sein Journalismus sei unseriös, er sei in betrügerischer Absicht in die Stadt gekommen. Die Verkleidung als Obdachlose habe zum Beispiel Angestellte in einem Hotel in Bedrängnis gebracht. Der Journalist sei bei seiner Recherche mit vorgefassten Urteilen nach Kronberg gereist, das sei „skandalös“.

    Sußebach hingegen betonte, der Artikel beschreibe wahrhaftig, was er und die Schauspielerin Viola Hess erlebt hätten. Die beiden hatten als obdachloses Paar verkleidet in Kronberg im Advent eine Woche lang um Kost und Unterkunft gebeten, dabei seien sie immer wieder abgewiesen worden.

    Moderatorin des Gesprächs über Armut und Reichtum, zu dem das Evangelische Dekanat Kronberg eingeladen hatte, war die Rundfunkjournalistin Ulrike Holler. An der Diskussion nahm auch der evangelische Pfarrer Hans-Joachim Hackel teil, der dem vermeintlich obdachlosen Paar Unterstützung gegeben, aber keinen Übernachtungsplatz eingeräumt hatte. Hackel sagte, er sei nach unguten Erfahrungen mit Hilfesuchenden persönlich vorsichtig geworden. Zusammen mit dem Kirchenvorstand versuche er aber Hilfe zu leisten, so weit es möglich sei. Hackel: „Es gibt eine ganze Menge Menschen, die vorbeikommen, die nicht in die Gesellschaft zurückgefunden haben.“ In Einzelfällen und nach längerer Zeit sei vermittelnde Hilfe auch erfolgreich.

    „Unser aller Umgang mit Armut“ sollte offengelegt werden

    Journalist Sußebach räumte ein, dass er auch nicht wisse, ob er persönlich Obdachsuchende eingelassen hätte. Allerdings sei diese Erwartung an eine „Institution, die sich ihrer Menschlichkeit rühme“, nicht unrealistisch. Ihm sei es nicht darum gegangen, die Kirche oder einzelne Personen bloß zu stellen. Seine Intention sei vielmehr, „unser aller Umgang mit Armut“ offen zu legen. Dabei verwies er auch darauf, dass die Besteuerung von Wohlhabenden in den vergangenen Jahren geringer und gleichzeitig staatliche Hilfen für Arme abgebaut worden seien. Auf private Hilfsmaßnahmen in Form von Charity-Projekten angesprochen, konstatierte Sußebach eine „Feudalisierung von Hilfe“. Er habe Bedenken gegen „Charity-Maßnahmen“, weil sie – anders als staatliche Maßnahmen – eine „willkürliche Verteilung von Geld“ darstellten.

    „Ein einzelner kann das Problem der Armut nicht lösen“

    Zumindest teilweise stimmte Alexander Dietz, Armutsexperte des Diakonisches Werk in Hessen und Nassau (DWHN), dieser kritischen Einschätzung zu. Er berichtete davon, dass die neue Sozialgesetzgebung faktisch auch zu mehr Not und Abhängigkeit von Almosen geführt habe. So müssten zum Beispiel allein im Hochtaunuskreis mehr als 10 Tausend Menschen von öffentlicher Unterstützung leben. Auch sei durchaus ein „Stigmatisierung“ zu beobachten, in einer reichen Umgebung sei es besonders schwer, arm zu sein. Ingesamt gelte es jedoch, Klischees abzubauen und zu akzeptieren, dass es überall Arme gebe: „Ein einzelner kann das Problem der Armut nicht lösen!“ Es müsse überlegt werden, was strukturell zu tun sei.

    Die weitere Diskussion im übervollen Gemeindesaal nahm solche Überlegungen allerdings nicht generell auf. So drückten ältere Diskussionsteilnehmerinnen ihren Unmut darüber aus, dass der Artikel voller Unwahrheiten sei, provoziere und „uns Kronbergern Schreckliches angetan“ habe. Dem hielt Sußebach in seinem Schlusssatz entgegen: „Sie müssen über ihren Auftritt genauso nachdenken, wie ich über meinen.“

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