Theologin wird römisch-katholisch
„Neue geistliche Heimat“ - Pfarrerin Göbel verlässt evangelische Kirche
EKHN/Traudi Schlitt
25.08.2019
vr
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Die oberhessische Pfarrerin Gabriele Göbel verlässt Ende August das Kirchspiel Altenschlirf, Ilbeshausen und Schlechtenwegen bei Herbstein (Vogelsbergkreis) und ihre Stelle in der Alten-, Kranken- und Hospizseelsorge im evangelischen Dekanat Vogelsberg auf eigenen Wunsch. Grund dafür ist ihr Übertritt in die römisch-katholische Kirche. Die Theolgin wird sich dann nach einer Auszeit im Herbst beruflich neu orientieren.
Neue geistliche Heimat
„Die Entscheidung ist mir schwer gefallen, weil ich mich hier von Anfang sehr wohl fühlte. Ich durfte mich hier über die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit meinen direkten Kolleginnen, den Kirchenvorständen und den Menschen in den Gemeinden freuen. Diese Erfahrungen sowie angefangene Projekte und Ideen rufen danach, hier weiter als Pfarrerin zu leben und zu arbeiten“, sagt Gabriele Göbel. „Andererseits habe ich auch eine Zeit tiefgreifender Veränderung für mein Leben und Glauben erlebt. Und hier spüre ich in mir einen Ruf, dem ich nachgehen möchte. Ich sehe meine neue geistliche Heimat in der katholischen Kirche. Daher werde ich aus dem Dienst als Pfarrerin in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau ausscheiden“, so Göbel.
Respekt und Akzeptanz
Nach Worten Göbels seien ihr Menschen, mit denen sie über ihre Entscheidung sprach, „mit Respekt und Akzeptanz“ begegnet. Göbel: „Das ist für mich ein starkes Zeichen, über das ich mich sehr freue.“ Ökumene heiße für sie immer schon, „zu teilen, was zu unserem gemeinsamen Glauben gehört, das Trennende ehrlich auszuhalten und sich dabei geschwisterlich zu begegnen“.
Grundlage nicht mehr gegeben
In ihrer Abschiedspredigt am vergangenen Sonntag skizzierte sie den Weg zu ihrer Entscheidung. Sie tat dies bereits nicht mehr auf der Kanzel, weil von dort auf der Grundlage der Reformation der Glaube verkündigt werden solle „und genau darauf muss sich die Kirchengemeinde doch verlassen können“, so Göbel. Für sie ende eine Zeit des Übergangs zwischen „nicht mehr“ und „noch nicht“- eine Zeit, in der sie sich zwischen der Loyalität zu ihrer Kirche und ihrem veränderten Glaubensverständnis empfand. Der Schritt zur Konversion habe ihr und allen in der Gemeinde viel abverlangt, so Göbel. „Ich habe wunderbare Menschen kennengelernt, und an dieser Wertschätzung hat sich nichts geändert“, unterstrich sie. „Ich war sehr gerne hier und in der hessen-nassauischen Kirche wirklich zu Hause, doch die tiefe innere Grundlage, der gemeinsame Glaube, das ist nicht mehr gegeben“.
Propst: Versöhnter Abschied
Der evangelische Propst für Oberhessen, Matthias Schmidt (Gießen), dankt Göbel für ihren Dienst in der evangelischen Kirche sehr. Vieles von dem, was sie gesät habe, werde aufgehen und wachsen, so das Mitglied der Leitung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Ihr Wechsel in die römisch-katholische Kirche wecke aber auch „zwiespältige Gefühle“, räumt der Leitende Geistliche im Rang eines „Regionalbischofs“ ein. Das gelte vor allem im Hinblick auf die Ökumene. Der "versöhnte Abschied" aus der EKHN zeige aber, „wie gut sich das Verhältnis zwischen den Konfessionen entwickelt hat“, so Schmidt, der sich schon auf den gemeinsamen Ökumenischen Kirchentag 2021 in Frankfurt freut. Gleichzeitig werde durch den Wechsel auch deutlich, dass zum Beispiel im Verständnis des Pfarramts und des Abendmahls die Kirchen noch getrennt seien: „Gabriele Göbel wird nicht Pfarrerin sein können in einer Kirche, die keine Frauenordination kennt. Auch das gemeinsame Abendmahl bleibt eine offene Wunde.“ Schmidt: „Wir sehnen uns immer noch nach dem, was Jesus selbst als seinen Herzenswunsch formuliert hat: Dass sie alle eins seien. Wir sind auf dem Weg, aber noch lange nicht am Ziel.“
Dekanin: Vielfalt gelebten Glaubens
Nach Worten der evangelischen Dekanin für das Dekanat Vogelsberg, Dr. Dorette Seibert (Alsfeld), hat Göbel mit ihrem reichen Erfahrungsschatz besonders in der Seelsorge die Region bereichert. Gerade in der Palliativ- und Hospizseelsorge habe sie sich verdient gemacht und engagiert Projekte angestoßen. „Die Gemeinden werden sich gern an die Zusammenarbeit erinnern“, so Seibert, die den Abschied Göbels sehr bedauert, jedoch auch betont: „Die Vielfalt des gelebten Glaubens gehört für mich mit zum christlichen Selbstverständnis“. Auf der gemeinsamen Basis der Taufe könnten alle Christinnen und Christen „mutig in die Zukunft blicken“.
Sprecher: Gewissensentscheidung achten
Nach Angaben des Sprechers der EKHN, Volker Rahn, ist Göbels Übertritt der erste bekannte Fall in der hessen-nassauischen Kirche, bei der eine amtierende Pfarrerin zum katholischen Glauben übertritt. "Es gehört zu den wichtigsten Erkenntnissen des evangelischen Glaubens, dass Gewissensentscheidungen zu respektieren sind", erklärte Rahn. "Die Freiheit eines Christenmenschen in Glaubensfragen ist seit Martin Luther das Herz des Protestantismus. Und das gilt auch im 502. Jahr der Reformation", so Rahn. Die evangelische Kirche wünsche Göbel für ihre Zukunft "alles Gute und den Segen des einen Gottes".
Zur Person Gabriele Göbel
Gabriele Göbel (56) trat ihre Stellen in Oberhessen im Sommer 2018 an. Davor arbeitete sie 19 Jahre in der Klinikseelsorge in Rüsselsheim und Limburg. Zuvor war sie sechs Jahre als Gemeindepfarrerin tätig. Sie studierte evangelische Theologie in Marburg und Heidelberg. Die Vertretungsregelung und die Neubesetzung der Stellen liegt in der Hand des Dekanats Vogelsberg. Göbel wird sich nach einer Auszeit im Herbst dann beruflich neu orientieren.
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