Dekanat Vorderer Odenwald

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    Naturkatastrophen

    Nach dem Tsunami gab es am Frankfurter Flughafen einen beispiellosen Hilfseinsatz

    traveler1116/istockphoto.com

    Es war eine Katastrophe: Am zweiten Weihnachtstag vor zehn Jahren brach ein Tsunami über die Küsten des Indischen Ozeans herein. Die Flutwelle riss über 200.000 Menschen in den Tod, auch Urlauber. Notfallkräfte erinnern sich an die Rückkehrer.

    von Jens Bayer-Gimm (epd)

    „Manche kamen in Badehose, Badeschlappen und Bademantel am Frankfurter Flughafen an“, berichtet der evangelische Pfarrer Reinhold Dietrich. „Sonst hatten sie nichts bei sich.“ Dietrich und seine Frau waren als ehrenamtliche Notfallseelsorger am 27. Dezember 2004 um 18 Uhr zu Hause angerufen worden. „Es kommt eine Maschine mit Überlebenden an, können Sie helfen?“, hatte das Flughafen-Management gefragt. Es war ein Tag nach der verheerenden Flutwelle rund um den Indischen Ozean. Die Dietrichs kamen, mit ihnen ein Dutzend weiterer Notfallseelsorger. In einem Gebäude abseits der öffentlichen Terminals erwarteten sie die Rückkehrer.

    Schlechtes Gewissen am Leben zu sein

    „Die meisten der 200 bis 300 Passagiere standen unter Schock“, schildert Dietrich. „Viele haben ohne Unterlass geredet, andere standen herum wie gelähmt und sagten kein Wort.“ Mitarbeiter der Lufthansa versorgten die Fluggäste mit Kleidung und Essen und besorgten ihnen die Fahrkarten für die Weiterreise. „Eine Frau wusste nicht, wo ihr Mann war. Sie war froh darüber, am Leben zu sein, hatte aber ein schlechtes Gewissen, alleine zurückgekehrt zu sein“, erzählt Dietrich. Viele Überlebende seien auch noch in Frankfurt voller Angst gewesen. Die Notfallseelsorger versicherten ihnen immer wieder: „Sie sind jetzt in Sicherheit!“ Nach zwei bis drei Stunden wurden die Passagiere weitergeleitet.

    Unverständnis bei Touristen auf Malediven

    Am ersten Januar 2005 flog der Notfallseelsorger mit Rettungskräften nach Sri Lanka, wo sieben Reisende ins Flugzeug gehoben wurden, sechs davon auf Tragen. Ein Ehepaar habe berichtet, wie die Flutwelle durch die Fensterscheiben des Hotelzimmers im ersten Stock brach und sie an die Wand schleuderte, erzählt Dietrich. Sie trugen Brüche und Schnittverletzungen davon.

    Als das Flugzeug auf den Malediven zwischenlandete, gab es dicke Luft. „Die Urlauber dort waren stinkesauer, weil die Maschine infolge des Tsunamis verspätet war und reservierte Sitzplätze durch die Tragen mit den Verletzten belegt waren“, erinnert sich Dietrich. Manche der Sonnenanbeter seien aggressiv geworden und hätten von den Stewardessen mühsam beruhigt werden müssen. Viele hätten von dem Tsunami überhaupt nichts mitbekommen. Alle erhielten jedoch einen Sitzplatz.

    Notfallseelsorger rund um die Uhr im Einsatz

    Beim Empfang der Tsunami-Rückkehrer waren nach Dietrichs Angaben alle Frankfurter Notfallseelsorger, mehr als 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, im Einsatz, manchmal rund um die Uhr. „Die liefen alle auf dem Zahnfleisch“, erinnert sich die evangelische Flughafenpfarrerin Ulrike Johanns, die, selbst auf dem Krankenbett, die Helfer telefonisch beriet. „Man muss beherzt sein, als Seelsorger bei Leuten zu bleiben, die einen anbrüllen, wie kann Gott das zulassen.“ Die wichtigste Aufgabe sei es gewesen, Sicherheit und Halt zu vermitteln. „Wir sind wie ein Geländer.“

    Koordiniert wurde die Hilfe durch die Leiterin des Notfall-Managements des Flughafenbetreibers Fraport, Patricia Heindörfer-Pabst. „Da ist etwas passiert, passt auf“, habe ihr Chef am Telefon gesagt. Heindörfer-Pabst kontrollierte alle Telefonnummern der fortgebildeten Freiwilligen des Fraport-„Care Teams“, damals knapp 140 Mitarbeiter. Dann ging es los: 100 Leute waren viereinhalb Tage im Einsatz, eine Schicht dauerte bis zu zwölf Stunden. Die Helfer versorgten die Rückkehrer, brachten sie mit den Angehörigen zusammen, informierten Ärzte und arbeiteten mit der Polizei zusammen, um Fluggästen Ersatzpapiere auszustellen.

    Katastrophen-Opfer kommen im Frankfurter Flughafen an

    „Es war toll: Jeder hat jedem geholfen“, erinnert sich Heindörfer-Pabst. „Ich glaube, wir hätten es nicht besser machen können.“ Als Erkenntnis hat die Notfall-Managerin aus ihrem ersten großen Ernstfall gewonnen: „Wir am Flughafen sind nicht nur von Flugunfällen, sondern von jeder Katastrophe betroffen.“ Als etwa das Kreuzfahrtschiff Costa Concordia im Januar 2012 kenterte, kamen die meisten deutschen Rückkehrer am Frankfurter Flughafen an. 

    Das „Care Team“ umfasst mittlerweile knapp 250 Mitarbeiter. Ihre wichtigste Aufgabe sei es, Rückkehrern nach einer Katastrophe „eine Struktur zu geben, damit sie gut ankommen und gut nach Hause kommen“, fasst Heindörfer-Pabst zusammen. Der Einsatz nach dem Tsunami vor zehn Jahren, als 5.500 Betroffene und Angehörige am Flughafen betreut wurden, ist bisher der größte gewesen.

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