Dekanat Vorderer Odenwald

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    Hospizverein schlägt Alarm

    Menschenwürde am Limit

    © EKHN/Matern / fundus.ekhn.deJunge Hand hält die Hand einer älteren FrauDer Fachkräftemangel im Gesundheitsbereich geht zu Lasten der Patient*innen. Der Ökumenische Hospizverein Vorderer Odenwald schlägt Alarm.

    Ärztemangel auf dem Land, der generelle massive Fachkräftemangel im Gesundheitswesen und dann auch noch die Corona-Pandemie. Insbesondere für sterbenskranke Menschen hat die Situation immer weniger mit einer menschenwürdigen Begleitung zu tun. Das hat der Ökumenische Hospizverein Vorderer Odenwald bereits mehrfach festgestellt. Dabei könnten andere Modelle allen Beteiligten helfen.

    Ein konkreter Fall, basierend auf Tatsachen: Herr M. ist 65 Jahre alt. Er lebt zusammen mit seiner Frau in einem schönen Haus in einem Ort mit einer gewachsenen Nachbarschaft im vorderen Odenwald. Doch Herr M. sieht sich plötzlich mit einer schweren Diagnose konfrontiert: Krebs im fortgeschrittenen Stadium, die Prognose ist schlecht, er hat nur noch wenige Wochen zu leben. Ein Schock für die ganze Familie. Seine Frau, die gemeinsamen Kinder, der große Freundeskreis – sie alle möchten ihren Teil dazu beitragen, das Herr M. zu Hause bleiben und gute letzte Wochen verleben kann.

    Palliative Betreuung nicht möglich

    Die Familie schaut sich nach Hilfe um, der körperliche Zustand von Herrn M. verschlechtert sich rapide. Er hat kaum noch Appetit und braucht immer mehr Hilfe. Die Familie meldet sich beim Ökumenischen Hospizverein Vorderer Odenwald. Koordinatorin Bärbel Fischer fährt zu der Familie. Und stellt fest, dass die Familie die medizinische und pflegerische Versorgung des Krebskranken allein nicht auffangen kann. „In einer solchen palliativen Situation muss dafür gesorgt werden, dass der Patient und auch die Familie sowohl medizinisch, pflegerisch, psychosozial und spirituell allumfassend begleitet ist, damit der Mensch würdevoll und mit hoher Lebensqualität für alle Beteiligten zu Hause sterben kann“, sagt Bärbel Fischer.

    Um einen anonymen Krankenhausaufenthalt, noch dazu unter erschwerten Corona-Bedingungen, zu vermeiden, bedarf es eines Netzwerks: ein Hausarzt, der regelmäßig Hausbesuche macht, ein ambulanter Pflegedienst, ein spezialisiertes ambulantes Palliativ-Team. Im Fall von Herrn M. war es weder möglich, einen Hausarzt zu finden noch einen ambulanten Pflegedienst. Bärbel Fischer hat zehn Pflegedienste angerufen. „Sie haben durchweg sehr bedauert, nicht da sein zu können, aber es mangelt allen Diensten an Personal“, sagt sie. „Der Wille ist da, aber die Kapazitäten fehlen.“ Herr M. musste ins Krankenhaus und verbrachte die letzten Tage seines Lebens allein in einem Krankenzimmer.

    Versorgung an der Kapazitätsgrenze
    „Die Geschichte von Herrn M. ist aktuell leider kein Einzelfall“, sagt Anja Schnellen, Leitende Koordinatorin im Ökumenischen Hospizverein. „Durch Personalmangel kommt die ambulante pflegerische und ärztliche Versorgung massiv an ihre Kapazitätsgrenzen.“ Die Menschen in der Pflege sind hochmotiviert, aber die fehlende Wertschätzung und der ständige Zeitdruck bringt sie an den Rand der Belastbarkeit. Das belegen Umfragen und Studien. Es ist ein Teufelskreis: Durch den Fachkräftemangel im ambulanten Bereich muss auf den stationären Bereich ausgewichen werden. Das bedeutet Stress für den Patienten, die Angehörigen und die Angestellten. Und es treibt die Kosten in die Höhe.

    Hinzu kommt: Ein auf Wirtschaftlichkeit ausgerichtetes Gesundheitssystem geht nicht konform mit der Menschenwürde. „Es ist nicht wertschätzend, im Akkord Menschen zu pflegen – weder der Pflegekraft noch den Pflegebedürftigen gegenüber“, sagt Anja Schnellen.

    Dabei gebe es gute Modelle von selbstorganisierten Krankenhäusern, in denen die Mitarbeitenden sogar auf einen Teil des Gehalts verzichten, um mehr Zeit für die Patient*innen zu haben und weniger Stress – und die trotzdem wirtschaftlich hervorragend funktionieren. Weniger Krankheitstage, eine geringere Personalfluktuation und eine höhere Zufriedenheit wirken sich auch auf die Bilanzen aus. „Das Ziel muss sein, dass Pflege auch wieder Zeit für Psychosoziales hat und den Menschen als Ganzen in den Blick nimmt“, sagt Anja Schnellen. „Wir brauchen einen Wertewandel.“

    Löcher im System

    Gerade in der Corona-Pandemie seien die Löcher im System deutlich zutage getreten, führt Anja Schnellen weiter aus: Es gebe Pflegeheime, in denen die Angestellten traumatisiert seien, weil so viele Bewohnerinnen und Bewohner infolge der Pandemie gestorben sind. Mitarbeitende wurden selbst krank. Statt Trauer und Abschied zuzulassen, wurde seitens der Leitung moniert, dass die Pflegekräfte mit den zu Betreuenden zu eng verbunden seien. Der kranke oder sterbende Mensch und seine Bedürfnisse geraten so völlig aus dem Blick.

    Um den Gesundheitsbereich stärker in den Fokus zu rücken, haben der Ökumenische Hospizverein Vorderer Odenwald und das Evangelische Dekanat Vorderer Odenwald Kontakt zur Politik aufgenommen. Anja Schnellen: „Wir basteln hier an unserer eigenen Zukunft.“

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