Dekanat Vorderer Odenwald

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    Pogrome im Deutschen Bund

    Judenfeindliche »Hep-Hep-Unruhen«

    epd/Daniel PeterBlick auf den Ebracher Hof, den die jüdische Bankiersfamilie von Hirsch vom bayerischen König erwarb.

    WÜRZBURG. Im August 1819 brach das erste antijüdische Pogrom der neueren Geschichte aus: die »Hep-Hep-Verfolgungen« breiteten sich im Deutschen Bund aus. Angefangen haben sie in Würzburg.

    Die Stimmung ist schon seit Monaten aufgeheizt, als am 2. August Steine fliegen. Soldaten können die Situation beruhigen, allerdings nur kurz. Am nächsten Abend rotten sich wieder Grüppchen zusammen, Steine fliegen, Fensterscheiben jüdischer Geschäfte und Wohnhäuser zerbrechen. In dem Gegröle hört man den Ruf »Hep! Hep!« heraus. Vier Tage lang wütet der Mob, bis die bayerische Regierung gewaltsam für Ordnung sorgt. Viele Juden fliehen aus Würzburg. Die Krawalle verbreiten sich wie ein Lauffeuer, sie brechen fast überall im Deutschen Bund aus.

    Mob wütet in Frankfurt und anderen europäischen Städten

    Die »Hep-Hep-Unruhen« sind das erste überregionale antijüdische Pogrom der neueren Geschichte. Besonders schlimm wütete der Mob etwa in Frankfurt am Main, aber auch in Kopenhagen, Amsterdam, Graz, Wien und Prag, sagt der Würzburger Historiker Roland Flade. Die Ausschreitungen in Europa ziehen sich über Monate hin. Ziel der Angriffe sind neben den jüdischen Bürgern auch deren Besitz und teilweise auch die Synagogen. Sie richten sich gegen die fortschreitende Gleichberechtigung der Juden zu Beginn des 19. Jahrhunderts, sind getrieben von Neid und Missgunst.

    Würzburg verliert Status als souveräner Staat

    Weshalb die Übergriffe gerade in Würzburg ihren Ausgang nahmen, versucht Flade zu erklären. Würzburg war bis 1814 ein souveräner Staat – zunächst Hochstift mit Fürstbischof, später zeitweise Großherzogtum –, bis es nach dem Wiener Kongress ganz ans Königreich Bayern fiel. »Würzburg hatte einen eigenen Hofstaat, es war Regierungssitz, mit all dem Glanz und den Privilegien, die das eben mit sich brachte«, so Flade. Steinernes Zeugnis dieser Zeit sei die Residenz als Bischofs- und Regierungssitz, die heute Unesco-Weltkulturerbe ist.

    König aus München enteignet die Kirche

    Das bayerische Edikt zur Judenemanzipation von 1813 galt seit 1814 auch in Würzburg, die Juden durften Grundbesitz erwerben. Für die Einwohner war die Degradierung von Würzburg zur bayerischen »Provinz« eine arge Kränkung, sagt Flade. Für die Region sei es absolut demütigend gewesen, dass die Kirche von einem König aus München enteignet und der Besitz meistbietend verkauft wurde. »Das ist die Folie, vor der sich alle Ereignisse der Folgejahre abspielen«, erklärt Flade. Und dann seien es eben auch Juden gewesen, die Teile des einst kirchlichen Besitzes erwarben.

    Jüdischer Bankier kauft Prunkgebäude

    In Würzburg war das etwa der Ebracher Hof, einst prachtvolle Niederlassung des Klosters Ebrach. Bis 1802 hatten in der Stadt keine Juden mehr gelebt – nach der Vertreibung im Jahr 1643. Nun kaufte der jüdische Bankier Jakob von Hirsch, der später Hofbankier wurde, das Prunkgebäude. Danach siedelten sich auch andere – wohlhabende – jüdische Familien in der Stadt an. Die Machthaber in München sahen darin eine Form der regionalen Wirtschaftsförderung.

    Stimmungsmache gegen Juden zeigt Erfolg

    »Der Region ging es damals wirtschaftlich nicht gut«, schildert der Historiker und Journalist, der das Standardwerk »Die Würzburger Juden« herausgegeben hat. Die Kaufleute und die Bankiers der Stadt hatten quasi Monopolstellungen, viele Waren oder Dienstleistungen waren überteuert. Jüdische Kaufleute krempelten den Markt um – sehr zum Missfallen der alteingesessenen. Die Stimmungsmache gegen die jüdische Konkurrenz war enorm, es gab Hunderte Flugblätter, in denen sie unter anderem als »orientalische Fremdlinge« geschmäht wurden.
    »Die neuen jüdischen Würzburger waren – weil eben zunächst nur erfolgreichen Juden die Niederlassung erlaubt wurde – auch tatsächlich eine wirtschaftliche Bedrohung für die Alteingesessenen«, sagt Flade.

    Kaufleute finanzieren den Mob

    Inzwischen gilt historisch als gesichert, dass christliche Kaufleute und alteingesessene Würzburger die »Hep-Hep-Unruhen« nicht nur durch Stimmungsmache vorbereitet haben. Mehr noch: Zumindest ein Teil des prügelnden und schändenden Mobs wurde von den Kaufleuten angestachelt und bezahlt.
    Die Regierung in München stellte mit Militär- und Polizeigewalt bis zum 5. August die öffentliche Ordnung wieder her. Viele Juden kehrten zurück, 16 Haupträdelsführer wurden verhaftet. Doch die Unruhen zogen in andere Städte weiter.
    Daniel Staffen-Quandt/epd

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