ekhn2030
Großbaustelle Erlenweg
sru/DekanatNoch sieht der Eingang zum Martin-Luther-Haus im Erlenweg so aus. Doch Umbau und Umnutzung stehen an.21.09.2021 sru Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Das Martin-Luther-Haus im Erlenweg 8 wird nach dem Umbau nicht wiederzuerkennen sein. Links vom Haupteingang soll es einen Anbau geben, in dem dann im Inneren ein gemeinsam genutzter Verwaltungstrakt untergebracht sein wird: die Amtszimmer von Pfarrerin und Pfarrer, Büros, Besprechungsräume. Der Anbau wird in Holzbauweise sein, die Dachflächen werden begrünt. Rechts vor dem Haupteingang ist eine kleine Terrasse im Grünen vorgesehen, dahinter eine Küche. Foyer und Versammlungsraum bleiben. Wo heute die Behindertentoilette ist, wird dann ein Aufzug sein, der Unter- und Erdgeschoss barrierefrei miteinander verbindet. Die Möglichkeit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach wird geprüft. Das Gebäude wird kernsaniert und gedämmt. Ein Plus auch für die Seniorengruppen, die es hier im Sommer bei heißen Temperaturen kaum aushalten. „Wichtig ist, dass ökologische Aspekte eine große Rolle gespielt haben“, sagt Pfarrer Felipe Blanco Wißmann.
Seit Pfarrer Hans-Georg Treblin in den Ruhestand versetzt wurde, steht das Pfarrhaus im Erlenweg leer. Das Pfarrerehepaar Yvonne und Felipe Blanco Wißmann lebt mit den beiden Kindern im 1906 erbauten, denkmalgeschützten Pfarrhaus in der Kirchstraße, möchte aber gerne in das Pfarrhaus im Erlenweg umziehen. Das soll renoviert werden. Zuvor aber folgte die Kirchengemeinde der Empfehlung der Kirchenverwaltung, ein Gebäudeentwicklungskonzept erstellen zu lassen. „Wir haben das als sehr hilfreich empfunden, weil es das Gefühl, das man so hat, in Zahlen fasst“, sagt Felipe Blanco Wißmann. Mit dem Resultat, dass die Kirchengemeinde Reinheim einen enormen Renovierungsbedarf hat und viel mehr Fläche als nach den Richtlinien der EKHN vorgesehen.
Die Zeiten haben sich geändert
Als das Martin-Luther-Haus Mitte der siebziger Jahre gebaut wurde, war das Wohngebiet ein relativ neuer Stadtteil mit vielen jungen Familien. Das Gemeindehaus etablierte sich als zweite Gottesdienststätte, zudem gab es mehrere Kindergruppen. Es war Leben in der Bude. „Die Gefahr ist immer, dass man denkt, was damals richtig war, ist für alle Zeiten richtig“, sagt der Pfarrer. Das Gebäudeentwicklungskonzept habe jedoch deutlich gezeigt, dass Räume leer stünden und dass bei dem vorhandenen Renovierungsbedarf in den nächsten 20 Jahren gewaltige Kosten auf die Kirchengemeinde zukämen. Verschiedene Szenarien wurden vorgeschlagen – Abriss, Neubau, Verkauf – verbunden mit der Auflage, dass sich die Kirchengemeinde für ein Szenario entscheidet.
„Die Gefahr ist immer, dass man denkt, was damals richtig war, ist für alle Zeiten richtig“
Pfarrer Felipe Blanco Wißmann
Für den Entscheidungsprozess holten sich die Reinheimer professionelle Anleitung durch das IPOS (Institut für Personalberatung, Organisation und Supervision der EKHN). „Ohne IPOS hätten wir das nicht geschafft“, sagt die langjährige Vorsitzende des Kirchenvorstands Christel Oertl.
Kooperation ist ein Glücksfall
Der Kirchenvorstand entschied, das alte Pfarrhaus aufzugeben, das Pfarrhaus im Erlenweg zu renovieren und sich für das Martin-Luther-Haus – hier hätte der Kirchengemeinde nach den Richtlinien der EKHN nur die Hälfte der Fläche zugestanden – einen Partner zu suchen. Es fügte sich, dass mit der Nieder-Ramstädter Diakonie (NRD), die das alte Pfarrhaus für Wohngruppen übernehmen wird, bereits Gespräche geführt worden waren und die NRD auch Interesse zeigte, im Martin-Luther-Haus eine Tagesstätte zu errichten. „Ein Glücksfall“, sagt Felipe Blanco Wißmann.
Im Martin-Luther-Haus will die Nieder-Ramstädter Diakonie das Untergeschoss und den Gartenhof davor als Tagesstätte für verschiedene Gruppen nutzen. In den Nachmittags- und Abendstunden wird es eventuell auch für die Kirchengemeinde nutzbar sein. Die hat das Erdgeschoss weitgehend für sich – abgesehen vom Verwaltungstrakt, der gemeinsam genutzt wird. „Das Grundprinzip ist, dass es keine Räume mehr gibt, die nur noch einmal in der Woche genutzt werden. Mit einer Ausnahme: ein Raum für Kinder und Jugendliche, dort dürfen auch Sachen stehen bleiben“, so der Pfarrer.
„Insgesamt wird unserer Kirchengemeinde sehr viel an Veränderung zugemutet“, führt er weiter aus. Vor kurzem erst wurde der Fachwerkturm der Dreifaltigkeitskirche aus Kostengründen und zum Schutz des Fachwerks wieder verschiefert. Und das, nachdem 1950 das Fachwerk frei gelegt worden und zu einem Wahrzeichen der Stadt geworden war. Die Kosten zum Erhalt waren aber immer weiter gestiegen – 2011 stand eine Generalsanierung an – und konnten letztlich auch durch einen Förderverein nicht mehr erwirtschaftet werden.
Kommunikation ist der Schlüssel
Das Zauberwort heißt Kommunikation. Felipe Blanco Wißmann hat damit gut Erfahrungen gemacht: „Wenn du die Prozesse, die hier gemacht werden, erklärst und nicht als Black Box agierst, kannst du viel Verständnis finden.“ Von Anfang an wurden Ideen und Stand der Dinge im Gemeindebrief veröffentlicht. Es gab Gemeindeversammlungen und öffentliche Workshops, in denen die Gedanken weitergetragen wurden.
„Ich persönlich glaube, dass die Grundannahmen, die hinter ,ekhn2030‘ stecken, richtig sind“, sagt Felipe Blanco Wißmann. Seit Jahren sind die Gemeindemitgliederzahlen in der EKHN wie deutschlandweit rückläufig. Die bestehenden Flächen passen nicht mehr dazu. Das Vorgehen sei klug, sich das anzusehen und im Verbund mit anderen zu agieren, sagt Felipe Blanco Wißmann.
„Wenn du die Prozesse, die hier gemacht werden, erklärst und nicht als Black Box agierst, kannst du viel Verständnis finden.“
Felipe Blanco Wißmann
Wie soll die Gemeinde der Zukunft aussehen?
„Wie wollen wir in Zukunft Gemeinde sein? Was brauchen wir dafür?“ Das waren die Leitfragen für die Gemeinde. Die Überlegungen begannen lange, bevor Blanco Wißmanns nach Reinheim kamen. „Die erste Idee ist, das ist doch ganz einfach zu beantworten, und dann kommt das große Stottern“, sagt Christel Oertl. Es gab viele Streitgespräche, was wichtig war. „Wenn wir nicht streiten, finden wir nicht die beste Lösung“, sagt Christel Oertl. Denn dadurch würden die Vor- und Nachteile herausgearbeitet.
„Wir waren uns sehr einig, dass sich etwas ändern muss und dass wir Beratung brauchen.“ Pfarrer Blanco Wißmann kann anderen nur raten, die Instrumente, die bei „ekhn2030“ zur Verfügung stehen, zu nutzen. Gleichwohl: Der Prozess kostet Zeit, Mühe und Kraft, vor allem für diejenigen, die sich ehrenamtlich in ihrer Freizeit für die Kirchengemeinde engagieren, sei es im Kirchenvorstand oder im Bauausschuss. „Dafür bin ich sehr dankbar“, sagt Blanco Wißmann.
Aus verschiedenen Architektenentwürfen haben sich Kirchengemeinde und NRD für das Darmstädter Büro Menzel & Kossowski entschieden. Der Kirchenvorstand hat am 15. Juli sein Plazet gegeben. Das war die letzte große Tat des noch amtierenden Kirchenvorstands, Anfang September wurden die neuen Mitglieder eingeführt.
Der Erlenweg wird also Großbaustelle. Die Kosten- und Finanzierungsübernahme wird derzeit geprüft. Mit der Renovierung des Pfarrhauses im Erlenweg wurde begonnen. Fürs kommende Jahr ist die Übergabe des Pfarrhauses in der Kirchstraße an die NRD vorgesehen. Mit dem Umbau des Martin-Luther-Hauses geht es frühestens Ende 2022 los.
CHRONOLOGIE
2010 Neuer Prozess im Kirchenvorstand beginnt: Was wollen wir? Was macht
unsere Kirchengemeinde aus?
2016 Arbeitsgruppe befasst sich mit grundsätzlichen Überlegungen zur
Gebäudesituation
2017 öffentlicher Workshop, um Anregungen und Wünsche aufzunehmen
2018 Vorstellung erster Ideen beim Neujahrsempfang;
Regionalverwaltung erstellt den Bedarf der Gemeinde – ernüchternde Bilanz:
zu viel Fläche, großer Renovierungsaufwand
Beauftragung eines Planungsbüros mit der Erarbeitung verschiedener
Szenarien
Kirchenvorstand entscheidet sich, das alte Pfarrhaus aufzugeben
2019 Information darüber bei der Gemeindeversammlung
2021 Nieder-Ramstädter Diakonie (NRD) sagt die Übernahme des alten Pfarrhauses
zu und geht die Kooperation für das Martin-Luther-Haus ein
Ausschreibung eines Architektenwettbewerbs, vier Büros legen Entwürfe vor.
In einer zweiten Runde fällt die Entscheidung für das Darmstädter Büro
„Menzel & Kossowski”.
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