Dekanat Vorderer Odenwald

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    Hessische Verfassung

    Gottesbezug gegen Allmachtsphantasien

    Lupo/pixelio.deFahne HessenFahne Hessen

    „Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen.. .“ Dieser Satz leitet die Präambel des deutschen Grundgesetzes ein. Ist ein Gottesbezug auch in der hessischen Verfassung sinnvoll? Pfarrer und Oberkirchenrat Stephan Krebs sagt klar: Ja!

    Kohlh. / MdhsPfarrer und Oberkirchenrat Stephan Krebs

    Am 17.12.2015 hat der Hessische Landtag beschlossen, die Verfassung an die Veränderungen der letzten 70 Jahre anzupassen. Dazu hat er die Enquetekommission „Verfassungskonvent zur Änderung der Verfassung des Landes Hessen“ eingesetzt. Vorschläge dazu gibt es seitdem viele, darunter die Einsetzung des Gottesbezugs. Was konkret den Gottesbezug betrifft, so gibt es viele Argumente Pro und Contra. Ausgetauscht werden sie auch in den sozialen Medien - auch auf der facebook-Seite der EKHN. Mit einigen Meinungen der Kommentatoren haben wir den Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der EKHN, Pfarrer Stephan Krebs, konfrontiert.

    Herr Krebs, warum spricht sich die EKHN für einen Gottesbezug in der hessischen Verfassung aus?

    Stephan Krebs: Mit dem Gottesbezug relativiert die Verfassung den Machtanspruch des Staates. Der Staat  ist nicht der einzige Bezugsrahmen der Menschen und ihrer Gesellschaft, sondern es gibt darüber hinaus noch einen anderen Bezug, der den einzelnen Menschen und das staatliche Handeln in Frage stellt.

    Der Staat kann – wie man in Deutschland am allergrauenvollsten weiß – in falsche Hände geraten und in die Irre gehen. Dann ist es gut, wenn noch ein anderes Koordinatensystem den Menschen die Werte, Haltungen und Legitimationen aufbewahrt und das staatliche Handeln in Frage stellt. Aktuelles Beispiel: Das Kirchenasyl. Dahinter steckt die – im Übrigen auch von staatlichen Stellen akzeptierte – Wahrnehmung, dass staatliches Handeln ein kritische Gegenüber und ein Korrektiv benötigt. Das gilt übrigens auch für die Kirche, denn auch sie kann in falsche Hände geraten. Dann benötigt sie das Korrektiv anderer gesellschaftlicher Kräfte.
     
    Ein User schreibt: Die Trennung zwischen Staat und Kirche liege eher im Interesse der evangelischen Kirche. Und weiter: Alles andere wäre doch religiöse Exklusion?
     

    Stephan Krebs: Die oben genannte Funktion des Gottesbezuges kann nur wirksam sein, wenn die religiöse Seite kein Teil des Staates ist, sondern gerade ein unabhängiges Gegenüber. Die Trennung von Kirche und Staat wird durch einen Gottesbezug nicht in Frage gestellt, denn die Kirche hat kein Monopol auf Gott und der Staat hat kein Monopol auf das Denken der Bürger.

    Wir leben mit dem Gottesbezug im Grundgesetzt seit über 60 Jahren eine Trennung von Staat und Kirche - auch wenn manche angesichts guter Zusammenarbeit von staatlichen  und kirchlichen Stellen diese Trennung nicht wahrnehmen oder nachvollziehen können.  Es arbeiten stets juristisch voneinander unabhängige Vertragspartner zusammen. Die Behauptung, die Kirche sei nicht vom Staat getrennt, dient immer als Scheinargument dem persönlichen Interesse, die Kirche aus dem öffentlichen Leben zurückzudrängen. Das Anliegen ist im Rahmen der Meinungsfreiheit völlig in Ordnung, das Argument ist es sachlich nicht.
    Religiöse Exklusion kann ich im Gottesbezug nicht erkennen, denn es wird kein bestimmter Gott genannt. Und wer keinen für sich erkennt, dem wird nichts genommen. Religiöse Exklusion wäre es, wenn religiösen Menschen der Gottesbezug genommen würde.
     
    Manche facebook-Nutzer sehen aber auch Gefahren in einem expliziten Gottesbezug in der Verfassung. Ein Beispiel: Der Nahe Osten - hier führe das Aufladen von Politik mit Religion doch gerade in Hass und Gewalt?

    Stephan Krebs:
    Das klingt so, als könne man sich aussuchen, ob es Religion gibt oder nicht. Für nicht-religiöse Menschen mag das so erscheinen. Für religiöse Menschen ist ihr Glaube einfach ein Faktum und zwar eins, das nicht nur ihr persönliches Leben mitbestimmt, sondern auch ihr Weltbild und ihr gesellschaftliches Handeln und ihr politisches Denken. Für sie – und das ist die große Mehrheit der Menschheit - stellt sich die Frage von Religion gar nicht. Deshalb ist mit Religion schlicht als Faktum zu rechnen. Leider führt das auch dazu, dass Religion für politische Zwecke missbraucht werden kann – aber das gilt für alles andere auch. Man kann auch den Egoismus nicht verbieten, obwohl er viel Hass und Gewalt auslöst. Ist  im Nahen Osten wirklich die Religion für die Konflikte ursächlich verantwortlich? Das erscheint mir zu kurzschlüssig. Denn es geht vorrangig um Fragen von Macht, Einfluss und geostrategischen Interessen.

    Übrigens: Wer wäre nach der Logik Ihrer Frage für die Hass-Opfer der NS-Zeit, des Stalinismus und  in Fernost (Rothe Khmer, Maoistische-Revolution etc.) verantwortlich? Das sind allesamt religionslose Konflikte mit entsetzlich vielen Opfern, für die dann die Atheisten verantwortlich gemacht werden müssten. Führt also Atheismus zu Hass und Gewalt?

    Religion – und dazu zählt auch der Atheismus als Nicht-Religion – ist immer ambivalent: eine Energie, die zu vielem fähig ist – auch zu Liebe, Barmherzigkeit, Engagement für Gerechtigkeit und zum Frieden.
     
    Wie sollte ein Gottesbezug in der Verfassung interpretiert werden?


    Stephan Krebs:
    Er darf nicht konfessionell verengt sein. Es geht also nicht darum, ein klares christliches Bekenntnis hineinzuschreiben. Sondern darum, die Grenze des Menschlichen anzudeuten, Allmachtphantasien von Menschen und Allmachtansprüchen von Ideologien zu begrenzen. Dazu ist der pure Begriff GOTT, der bereits im Grundgesetz verwendet wird, bestens geeignet, weil offen genug.

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