Porträt
Ein Hoch auf die Ehrenamtlichen
sru/DekanatHans-Joachim Greifenstein, der eine Teil des "Ersten Allgemeinen Babenhäuser Pfarrer(!)-Kabarett, ist als Pfarrer im Ruhestand, springt aber immer noch als Gottesdienstvertretung ein.01.12.2023 sru Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Hinter einem großen Hoftor nahe der Babenhäuser Innenstadt wohnen drei Generationen zusammen. Im vorderen die Familie einer seiner Stiefsöhne, im hinteren Haus Hans-Joachim Greifenstein, dazwischen der Hof. „Wir gehen rüber und nüber, aber gucken uns nicht in den Suppentopf“, sagt Greifenstein. Seine vor drei Jahren verstorbene Frau Doris stammte aus Babenhausen, in der Familie wuchs vor Jahren der Gedanke dieses Drei-Generationen-Wohnprojekts – und so kam es dann auch. Das Ehepaar kehrte mit der Ruhestandsversetzung vor knapp vier Jahren von Schwanheim im Dekanat Bergstraße, wo Hans-Joachim Greifenstein zuletzt zehn Jahre lang Pfarrer war, nach Babenhausen zurück. Hier konnte seine an Krebs erkrankte Frau noch eine gute Zeit verbringen. „Sie konnte gut leben bis zum Schluss“, sagt er.
Apropos Suppentopf: Hans-Joachim Greifenstein kocht gerne, das macht er zweimal in der Woche für die Babenhäuser Familie, einmal in der Woche ist er bei der Familie in Jugenheim, wo seine Schwiegertochter Pfarrerin ist. Fünf Kinder und zehn Enkel sind es insgesamt. „Mein Pluspunkt ist: Ich habe Zeit“, sagt der 66-Jährige, „und wenn die Enkelkinder sagen: Opa, ich hab Dich lieb, das ist das Größte!“
„Die Kirche lebt von den Ehrenamtlichen“
Obwohl im Ruhestand und etwa 40 Mal im Jahr auf den Kabarettbühnen unterwegs, hält Hans-Joachim Greifenstein immer noch Vertretungsgottesdienste, nicht in Babenhausen, dort trägt er aber den Gemeindebrief aus, sondern regelmäßig vor allem in der Kirchengemeinde Langstadt. „Ich tue es für mich und meine spirituellen Bedürfnisse, und im Unterschied zum Ingenieur ist es bei der Kirche doch so, dass unsereiner immer noch an seiner alten Arbeitsstätte wirken kann.“ In Anbetracht der vielen offenen Pfarrstellen ist die Evangelische Kirche sogar dringend darauf angewiesen, dass Pfarrpersonen im Ruhestand und Prädikant*innen, also ehrenamtliche Prediger*innen, Gottesdienste halten. Bei Greifenstein hat es vor allem mit Dankbarkeit zu tun – gegenüber den Ehrenamtlichen („die Kirche lebt von den Ehrenamtlichen“) und gegenüber denjenigen, die ihn in seiner Dienstzeit vertreten und ihm so einen freien Sonntag im Monat ermöglicht haben –, wie auch damit, seine eigene Spiritualität zu pflegen. „Die Langstädter Gemeinde mit ihren engagierten Ehrenamtlichen gefällt mir sehr gut“, sagt der Kabarettpfarrer, „das Ehrenamt ist das A und O.“
Seine „Kirchenkarriere“ hat Greifenstein als Ehrenamtlicher in der Jugendarbeit begonnen. Aufgewachsen in Seligenstadt war er mit dabei, als ein Jugendzentrum, das ein ungezwungener Ort für Jugendliche sein sollte und ohne Kontrollen, aufgebaut wurde. Die Lockerheit aber passte dem Kirchenvorstand nicht, er schmiss die Jugendarbeit raus, der Dekanatssynodalvorstand setzte sie wieder ein. Letztlich wurde dieser Konflikt ausschlaggebend dafür, „im Machtpoker höher einzusteigen“, erzählt Greifenstein schmunzelnd, und nicht Sozialarbeit zu studieren, wie er es ursprünglich vorgehabt hatte.
Erster Auftritt im Partykeller
Er studierte also Theologie in Frankfurt und Marburg, absolvierte sein Vikariat, also die praktische Ausbildung, in Butzbach, wurde Assistent von Kurt Oeser, Gemeindepfarrer in Mörfelden und als „Umweltpfarrer“ überregional bekannt. Die erste Pfarrstelle war in Dreieich-Sprendlingen, 1986 kam Greifenstein nach Babenhausen, wo er bis 2006 wirkte, die meiste Zeit davon mit Clajo Herrmann, dem anderen Teil des Pfarrerkabaretts. Am 31. Januar 1997 hatten die beiden ihren ersten Auftritt – in einem Babenhäuser Partykeller anlässlich des 75. Geburtstags einer Kirchenchorsängerin.
Clajo Herrmann ist ganz aus dem Pfarrberuf ausgestiegen, er war neben dem Pfarrer-Duo auch als Solo-Künstler unterwegs. Hans-Joachim Greifenstein pausierte mal drei Jahre als Pfarrer, kehrte dann aber ins Pfarrarmt zurück. Ihm fehlten die Gespräche mit den Menschen, die ihre Leben im Zeitraffer aufblätterten. „Durch diesen Schatz der Biografien bin ich immer wieder berührt und beeindruckt und fühle mich beschenkt.“ Ihnen verdankt er seine Frömmigkeit: „So richtig fromm geworden bin ich durch die alten, frommen Leute in der Gemeinde.“ Deren so selbstverständlicher und authentischer Glaube, ihre „natürliche Theologie“, wie er es nennt.
Kirche ist keine beamtenrechtliche Agentur
Mit ihm, dem Geistlichen und Wortakrobaten, über Kirche und kirchliche Strukturen zu plaudern, ist unterhaltsam und inspirierend zugleich. Wenn er Kirche erklärt, klingt das so: „Die Hardware sind die Leute, die sich auf die Socken machen, die Software sind Spiritualität und Glaube.“ Dabei nimmt er auch kein Blatt vor den Mund – sicher ein Geheimnis des andauernden Erfolgs des Ersten Allgemeinen Babenhäuser Pfarrer(!)-Kabaretts“. Das „Priestertum aller Gläubigen“ hält Greifenstein für eine sehr gute Idee des Reformators Martin Luther, die Kirche sei schließlich keine „beamtenrechtliche Agentur“. „Mit Standesdünkel und Pfarrherrentum ist nichts zu holen“, so der 66-Jährige, „unsere Währung ist das Vertrauen der Leute und die Beziehung.“
Und was bedeutet ihm der Glaube? Er sei das „Fundament seines Lebens, eine Grundlage, die ich nicht selbst produzieren kann“. Oder anders gesagt: „Im Grunde genommen können mir alle Leut‘ den Buckel runterutschen, weil Gott mich lieb hat.“
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