Personalie
Die Beziehungsknüpferin
sru/Dekanat
17.09.2025
sru
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Als am Bauernmarkt-Sonntag wieder Hunderte von Menschen ans Darmstädter Schloss kamen, um sich ein Segensbändchen, einen Luftballon und einen Segen abzuholen, war Karin Jablonski erstmals nicht dabei. Nicht etwa, weil die Referentin für Menschen in der zweiten Lebenshälfte im Evangelischen Dekanat Vorderer Odenwald seit 1. September im Ruhestand ist, sondern krankheitsbedingt. Der „Segen to go“ auf dem Bauernmarkt in Groß-Umstadt ist ihre Erfindung und ihr Lieblingsprojekt. Das Besondere: Hier kann jede und jeder segnen und nicht nur Pfarrerinnen und Pfarrer im Talar. „Der Segen ist für mich die Liebeserklärung Gottes an jeden Menschen, die ich gerne weitergebe, die ich gerne weitersage, damit sie für den Menschen hörbar und spürbar wird“, sagt Karin Jablonski. So manches hat sie im Trubel des Bauernmarktes erlebt: Augenblicke der besonderen Nähe zu den Menschen und zu Gott, Tränen des Berührt-seins und der Freude – heilige Momente.
Überhaupt ist der Segen eine Leidenschaft von Karin Jablonski. „Ich brauche Segen“, steht auf dem Schildchen an der Haustür in Nieder-Roden, wo sie mit ihrem Mann seit 2011 wohnt. Der erwachsene Sohn ist Arzt und lebt in Göttingen. 45 Jahre war Karin Jablonski im Dienst der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Als 20-Jährige machte sie eine Ausbildung zur Prädikantin und wurde 1980 von der EKHN zur ehrenamtlichen Verkündigung beauftragt. Nach dem Studium der Gemeinde- und Religionspädagogik an der Evangelischen Hochschule Darmstadt arbeitete Karin Jablonski von 1981 bis 1984 als Gemeindepädagogin in der Evangelischen Kirchengemeinde Erbach und von 1984 bis 2004 in der Evangelischen Kirchengemeinde Ober-Roden. In beiden Gemeinden war sie im Schwerpunkt für Kinder, Jugendliche, Konfirmanden und deren Eltern zuständig. Mit dem Wechsel ins Evangelische Dekanat Reinheim im Jahr 2004, das sechs Jahre später mit dem Dekanat Groß-Umstadt zum Dekanat Vorderer Odenwald fusionierte, änderte sich ihr Tätigkeitsfeld und sie war nun für die Arbeit mit Senioren zuständig. Auf landeskirchlicher Ebene setzte sie sich für die Belange der Gemeindepädagog*innen ein – „noch eine meiner Leidenschaften“.
Den Menschen etwas zutrauen
Die Stelle im Dekanat war seinerzeit neu geschaffen worden und begann für Karin Jablonski mit klassischer Aufbauarbeit: Was gibt es in den Kirchengemeinden für ältere Menschen? Wo gibt es Lücken? Was brauchen die Ehrenamtlichen? Entstanden ist da die „Impulse-Gruppe“ in Fränkisch-Crumbach, die sich regelmäßig traf, um über biblische Themen zu sprechen und einen Nachmittag in guter Gemeinschaft zu verbringen. 2024 feierte die Gruppe ihr 20-jähriges Bestehen und löste sich dann auf. Entstanden ist so auch der Kurs „Gruppen leiten“, in dem Karin Jablonski Ehrenamtliche für die Arbeit im Kirchenvorstand und in der Gemeinde schulte. Ihr Spruch: „Kompetenz tut gut – allen.“ Ihr Ansatz: Menschen bevollmächtigen, Anerkennung zusprechen und ihnen das Gefühl geben: Ich traue Dir das zu. „Die Menschen müssen sich in dem, was sie tun, sicher sein; dass sie diese Sicherheit erlangen, dafür war ich auch zuständig.“
Zum 60. Jahrestag des Kriegsendes in Deutschland 2005 startete sie zusammen mit dem damaligen Öffentlichkeitsreferenten Bernhard Bergmann das Projekt „Erzähl doch mal…“. Es gab Erzählcafés mit Älteren und Konfirmand*innen und Interviews, wie die Menschen das Kriegsende erlebt hatten. „Erzähl doch mal…“ mündete in einer Buchveröffentlichung und zog Kreise: Die Großeltern wurden in die Klassen ihrer Enkel eingeladen, um zu erzählen. „Das war ein Türöffner“, sagt die 66-Jährige rückblickend. Die Menschen nahmen ihre Arbeit wahr und sahen, dass das Dekanat etwas für ältere und mit älteren Menschen tut. Sie kamen und machten mit – als Teilnehmende und als Ehrenamtliche. Qualifizierung und Tanz, Spiel und Bewegung für Seniorinnen und Senioren waren Karin Jablonski wichtige Anliegen, ebenso die Biografiearbeit und das intergenerative Arbeiten, insbesondere bei den Jahresthemen des Dekanats.
In der religionspädagogischen Bildungsarbeit versuchte sie, theologische Themen in Seminarabenden zugänglich zu machen. „Es geht ja immer auch darum, die Sprachfähigkeit des Glaubens zu fördern – und das geht nur, wenn mein Gegenüber die Inhalte dazu im eigenen Leben wiederfindet“, sagt Karin Jablonski, „dazu braucht es eine angemessene Sprache.“ Mit ihren Vorträgen und Seminaren war sie ein gern gesehener und häufiger Gast in den Kirchengemeinden. Glaube bedeutet ihr „Sinn, Orientierung, Beziehung, Ermutigung und Hoffnung“.
Auf Klappstühlen durch die Gemeinden
Karin Jablonski ist ein sehr verbindlicher Mensch und eine Kümmerin. Als in der Corona-Pandemie von jetzt auf gleich nichts mehr ging, hob sie kurzerhand den „Kontaktbrief“ aus der Taufe, um mit den vielen älteren Menschen, die besonders von den Kontaktverboten betroffen waren, in Verbindung zu bleiben. Als man sich später im Freien wieder treffen konnte, ging sie mit ihrer Kollegin Dr. Rose Schließmann auf Klappstuhltour durch die Gemeinden. Das Sommerkino, bei dem bis dahin im Darmstädter Schloss in einem überschaubaren Raum Filme gezeigt und diese mit Gesprächen und Vorträgen begleitet worden waren, zog um in die Umstädter Stadtkirche.
Digitale Angebote wie „Espresso mit Gedrucktem“, einem Austausch über Bücher und Gedichte, und die Themenreihe „Frauen in der Bibel“, entstanden ebenfalls in dieser Zeit. Ihre Lieblingsfrau ist Martha („großartig!“), weil sie die erste Frau gewesen sei, die verstanden habe, wer Jesus ist und den Mumm gehabt habe, mit Jesus zu streiten. „Ich mag Frauen, die sich was trauen“, sagt Karin Jablonski. Sie selbst ist auch eine Frau, die sich was traut und klare Worte spricht. Ihr kritischer Blick ist dabei immer getragen von einer großen Menschenliebe und Empathie. Gemeinde- und Religionspädagogin ist sie „mit Leib und Seele“, „das endet auch nicht mit dem Ruhestand“. Karin Jablonski mag Bücher und Hörbücher, den Garten, mit „de Leit zu schwätze“ und sie kocht gerne. Sie fotografiert auch gerne und will in ihrem Ruhestand endlich mal wieder den Koffer aus der Ecke holen, in dem ihre Spiegelreflexkamera schlummert.
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