Dekanat Vorderer Odenwald

Angebote und Themen

Herzlich Willkommen! Entdecken Sie, welche Angebote des Dekanates Vorderer Odenwald zu Ihnen passen. Über das Kontaktformular sind wir offen für Ihre Anregungen.

    AngeboteÜbersicht
    Menümobile menu

    St. Jost-Pilgerweg

    Ökumenischer Pilgertag: Ein Zuviel macht uns arm

    Stephan KühnDer 14. Ökumenische Pilgertag in Fischbachtal

    "Genug. Für alle. Für immer." – So lautete in diesem Jahr das Motto des mittlerweile 14. ökumenischen Pilgertages in Fischbachtal. Das Wirken der Familien Schleussner und Reisinger-Weber wurde gewürdigt.

    Von Stephan Kühn

    Der alljährliche Gottesdienst zu Beginn des Pilgertages hatte diesmal zwei Teile: Zunächst gab es die übliche Lithurgie mit Gebeten, Liedern und einer bemerkendwerten Predigt. Gehalten wurde diese von Pfarrer i.R. Werner Stoklossa. Darin bezog er sich auf das Jesus-Gleichnis, das mit zwei Sätzen zu den kürzesten zählt (Mt 13, 44):
    „Die Welt, wie Gott sie denkt und wie er sie entfalten will, ist mit einem Schatz zu vergleichen, der in einem Acker verborgen war. Ein Mensch stieß auf ihn, ließ ihn unausgegraben und ging voll Freude los, verkaufte all seinen Besitz und kaufte den Acker.“

    Stoklossa sagte: „So kurz ist das Gleichnis, dass man den Schlusssatz hinzudenken muss: Dann hob er den Schatz hervor und freute sich an ihm. Wer jetzt an Dagobert Duck denkt, der vom Geldspeicherrand in seinen Geldüberfluss springt, trifft nicht ganz den Kern der Jesusrede. Ich habe hierzu ein „Anti-Gleichnis“ in Erinnerung:
    „Ein Bauer hat gehört, dass in seinem Acker ein Schatz vergraben sei. Er sucht den ganzen Acker mit dem Grubber-Pflug ab – nichts zu finden. Enttäuscht geht er nach Hause. Monate später aber hat er die beste Getreideernte seit Jahren! Der Acker, den er gelüftet hat, war sein Schatz, der ihm seine Mühe zurück erstattete!"

    „Gibt diese Version dem Gleichnis Jesu kontra? Eher nicht”, sagte Pfarrer Stoklossa. „Beide Versionen passen zueinander und machen gemeinsam Wichtiges klar: Schätze liegen nicht einfach herum. Ressourcen entdecken liegt nicht auf der Hand! Einsatz, „Grubbern“ ist nötig! Seit Jahrmillionen haben Lebewesen auf der Erde die Ressourcen von Sonne, Wind, Wasser, Erde zum Überleben und zur Entwicklung genutzt. Meinen wir Menschen des Industriezeitalters es besser zu wissen?

    Der Ausdruck  „Bodenschätze“ sei Generationen lang missverstanden worden als Aufruf zur Bodenausbeutung. Was Jahrtausende, ja Jahrmillionen gedauert habe, dass es sich bildet, sei für kurzfristige, kurzsichtige Zwecke verschwendet worden, ökologische Kreisläufe seien zerbrochen worden: Aus dem Boden-“schatz“ ist eine Bebauungsfläche, Erschließungsfläche, ein Braunkohle-, Bauxit- oder Ölschiefer-Abbaufläche, eine Asphalt- und Betonfläche geworden. Und in großen Teilen der Landwirtschaft sei Boden zur bloßen Standfläche von „Nutz“-pflanzen geworden, die bald alle Nahrung künstlich zugeführt bekommen, weil der Boden keine Wachstums-Schätze mehr enthalte.

    Jeden Tag proben wir Freiheit
    Weiter führt Pfarrer Stoklossa aus: „Was tut im Gleichnis der Mensch, der den Schatz findet? Er ging voll Freude los, verkaufte all seinen Besitz! Das ist eine gedankliche Verarbeitung und eine Schlussfolgerung: „Mein Fund ist unendlich viel mehr wert als alles, was als Besitz zählt! Diese neue Ressource ist mehr wert als vieles ‚Gehabte‘, Gewohnte! Um sie zu gewinnen, kann ich mich von anderem trennen. Das ist meine Freiheit!“

    Und weiter: „Liebe Gemeinde! Jeden Tag ein Stückweit proben wir solche Freiheit, solches Freiwerden von allzu Gewohntem, das uns zur Fessel geworden ist. Das Freiwerden von zuviel Wasservergeudung, zuviel Lebensmittelvergeudung, zuviel Energievergeudung, zuviel Bodenversiegelung, zuviel Luft- und Lärm-Verschmutzung: Das ist ein Zuviel, das uns je länger je ärmer macht und mit uns die Mitmenschen auf allen Kontinenten! Ziehen wir „nach Corona“ die richtigen Konsequenzen: Es geht auch ohne vierspurigen Ausbau von Bundesstraßen, ohne Ver-siegelung von Böden für Parkplätze und große Einkaufszentren, ohne Kurz- und Langstreckenflüge für angebliche Erholung, die doch nur Stress des „höher, schneller, weiter“ bringen.”

    Die Nähe zu verlässlichen Mitmenschen sei das Wertvolle, ein Schatz, den man nicht bezahlen könne. Das erlebten heute die Betroffenen der Flutkatastrophen mit ihren Nachbarn, Feuer-wehrleuten, THW-, DLRG- und Rotkreuz-Helfer*innen und vielen, die anpacken.

    „Liebe Pilgerinnen und Pilger, auch unser heutiges Vorhaben ist ein solches Freiwerden von Fesseln, frei werden für neue Ressourcen. Wir verlassen uns auf unsere eigenen Füße und auf die Solidarität der Gemeinschaft, die niemanden zurück- oder sich verirren lässt. Unsere kirchlichen oder bürgerschaftlichen Aktivitäten setzen neue Ressourcen frei. Vom Geist Jesu und seinen Hoffnungs-Gleichnissen getragen können sie ausstrahlen, Mitmenschen gewinnen und Schätze entdecken.”

    Vor einer Fehldeutung möchte Stoklossa das Gleichnis vom Schatz im Acker schützen: Die Belohnung des Schatzfinders, der Finderin sei die Freude! Nicht etwa, dass der gehobene Schatz zu Geld gemacht werde, das den Kreislauf des „immer mehr haben Wollens“ wieder anheize. Das wäre eine Methode des „Green-washing“ – Profite, Umsätze, Verschwendung steigern unter dem Etikett des Umweltschutzes.

    Ein CO2-Preis auf jede ausgestoßene Tonne mache uns den Wert der bisher als kostenlose Güter angesehene Luft, Wasser, Boden bewusst. Er dürfe nicht zur Berechnung führen, wieviel Verschmutzung wir uns mit dickem Portemonnaie „kosten lassen“ könnten.
    Die Freude des Menschen, der den Schatz im Acker finde, sei selbst ein Schatz, den er mit Mitmenschen teilen will, nicht eine Schadenfreude darüber, dass andere ihn nicht besitzen.

    „So lassen Sie uns auf dem heutigen St.Jost-Pilgerweg an vielen Stationen das Motto des Tages bedenken und ausbuchstabieren: Genug. Für alle. Für immer.”

    Posthume Ehrung von zwei wesentlichen Stiftern des Pilgerwegs
    Im zweiten Teil des Gottesdienstes sprachen der Fischbachtaler Pfarrer Simon Körber und der Fischbachtaler Bürgermeister Philipp Thoma zwei Frauen besonders an: Frau Dr. Cathrin Schleussner und Frau Dr. Jutta Reisinger-Weber.

    Der verstorbene Vater von Frau Dr. Schleussner, Dr. Hans Schleussner, hatte 2010 die kompletten Kosten für den Bau der neuen Waldkapelle übernommen. Und als im Frühjahr 2020 im Sturm eine Baumkrone auf das Dach der Kapelle fiel, sagte Frau Dr. Schleussner ohne zu zögern finanzielle Hilfe zu.

    Der ebenfalls verstorbene Pfarrer Michael Weber hatte in seiner Zeit als Fischbachtaler Pfarrer den St.-Jost-Pilgerweg initiiert und maßgeblich geprägt. Seine Frau, Frau Dr. Reisinger Weber, hat sich als Historikerin intensiv mit der Geschichte der St.-Jost-Kapelle beschäftigt und die Ergebnisse ihrer Arbeit dazu unter anderem auf der Website zum Pilgerweg veröffentlicht (www.st-jost.fischbachtal.de).

    Pfarrer und Bürgermeister würdigten das Wirken der Familien Schleussner und Reisinger-Weber und bedankten sich bei den beiden Frauen mit je einem großen Blumenstrauß.

    Die erste Etappe ist immer still
    Eine Herausforderung - immer wieder: mit dem Start der Pilgergruppe von der Kapelle in den Wald ergeht immer der Apell, die erste Etappe bis zu den 12 Aposteln schweigend zu gehen. Das heißt: nicht reden, auch wenn die Predigt mitreißend war und die Natur viele schöne Details zeigt, über die man sich mit der Nachbarin austauschen möchte. Nein. Es ist Stille. Also taucht man ein in den Wald und hört den Wind, die Vögel und die Füße der Anderen. Das ist immer wieder eine besondere Erfahrung.

    An verschieden Stellen entlang des Weges macht die Gruppe Rast. Hier wird getrunken und gegessen und empfangen: ein kleines Team hat für jede Station einen Impuls vorbereitet. So verschieden die Menschen im Team sind, so unterschiedlich sind auch die Impulse. Gedanken zum Motto "Genug. Für alle. Für immer.", Atemübungen, Lieder, Texte.

    Gegen 17.30 Uhr erreichte die Gruppe das Ziel, die Kirche Johannis der Täufer in Niedernhausen. Müde und reich an Eindrücken und Impulsen bedanken und verabschieden sich die Teilnehmenden von einander.

    Diese Seite:Download PDFDrucken

    to top