Dekanat Vorderer Odenwald

Angebote und Themen

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    Serie „Zwischenräume“ (2)

    Die Unterschiedlichkeit der Räume

    Willi HeunFür Dr. Rose Schließmann haben Rosen eine besondere Bedeutung.

    Die Corona-Pandemie versetzt uns in einen bisher ungekannten Ausnahmezustand. Die Zeit vor Corona schimmert noch durch. Doch was kommt dann? In der Serie „Zwischenräume“ schildern Menschen im Gebiet des Evangelischen Dekanats Vorderer Odenwald ganz subjektiv, wie sie diese Zeit erleben.

    Dekanat Vorderer Odenwald

    Von Dr. Rose Schließmann

    Abstand halten – Gesichtsmaske tragen – keine Umarmung – Videokonferenzen – die neue Normalität? Innerlich wehre ich mich. Nein, das kann ich nicht glauben.

    Sind es Zwischen-Räume, durch die wir jetzt gehen? In mir kriecht die Angst hoch – ungefragt. Sie ist einfach da. Der Zwischenraum entpuppt sich als Angst-Raum: Wie soll es weitergehen? Ja, ich möchte mein „altes Leben“ zurück und mich mit Menschen ganz real treffen. Und ich wünsche mir einen beschwingteren Alltag. Meine Gedanken kreisen, werden zum Denk-Raum: Was ist im Leben wichtig? Trägt mein Glaube? Geschichten kommen mir in den Sinn.

    Eine Geschichte von Rainer Maria Rilke eröffnet mir einen Hoffnungs-Raum:
    Gemeinsam mit einer jungen Französin kam er um die Mittagszeit an einem Platz vorbei, an dem eine Bettlerin saß, die um Geld anhielt. Ohne zu einem Geber je aufzusehen, saß die Frau immer am gleichen Ort. Rilke gab nie etwas, seine Begleiterin gab häufig ein Geldstück. Eines Tages fragte die Französin verwundert nach dem Grund, warum er nichts gebe, und Rilke gab zur Antwort: „Wir müssten ihrem Herzen schenken, nicht ihrer Hand.“ Wenige Tage später brachte Rilke eine eben aufgeblühte Rose mit, legte sie in die offene abgezehrte Hand der Bettlerin und wollte weitergehen. Da geschah etwas Unerwartetes: Die Bettlerin blickte auf, sah den Geber, erhob sich mühsam von der Erde, tastete nach der Hand des fremden Mannes, küsste sie und ging mit der Rose davon. Eine Woche war die alte Frau verschwunden. Nach acht Tagen saß sie plötzlich wieder wie früher am gewohnten Platz. Sie war stumm wie damals. „Aber wovon hat sie denn all die Tage, da sie nichts erhielt, nur gelebt?“ fragte die Französin. Rilke antwortete „Von der Rose…“

    Mir wird bewusst, dass Zuwendung immer möglich ist – auch mit Abstand. Es sprudeln Ideen, ich befinde mich in einem Kreativ-Raum. Das Leben fühlt sich leichter an. Der Frühling und ein Spaziergang in der Natur weiten meinen Blick. Ich bin mit anderen verbunden, wenn ich Klavier spiele, wenn ich Briefe schreibe und telefoniere. Aber je länger diese Zeit anhält, meldet sich das Gefühl zurück: Irgendwie fehlt trotzdem etwas! Eine Leere macht sich breit. Wo bin ich? Im Leer-Raum oder ist es ein Lehr-Raum, ein Lern-Raum?

    Die Zwischen-Räume haben viele Gesichter. Manche sind schwer auszuhalten. Aber die Rose in der Geschichte von Rilke, zeigt mir einen Weg hindurch: aufmerksam sein. Und ich hoffe auf weiten Raum in und nach diesen Zwischen-Räumen.

    Babenhausen, 18. Mai 2020

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