

gestern Abend habe ich in der Dunkelheit eine Amsel zwitschern hören, ganz leise und vorsichtig. Das tat so gut. Die Gewissheit, dass der Frühling kommt, die Natur und mit ihr die Farben aufblühen werden – just in einer Zeit, in der ich mich angesichts der vielen Hässlichkeiten allzu oft am liebsten in eine Winterschlafhöhle verziehen möchte.
Und die schlimmen Nachrichten gehen weiter: Heute ist ein 24-jähriger Afghane in München mit einem Auto in eine Menschenmenge gefahren und hat etliche Menschen verletzt. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder spricht von einem „Anschlag”. Die Ermittlungen laufen. Schon wieder Gewalt und Leid und Angst. Schon wieder Wasser auf die Mühlen derer, die einen scharfen und populistischen Migrationskurs fahren.
Dies ist der letzte Newsletter vor der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar. Der Wahlkampf dominiert die Nachrichten (neben den ständig neuen und verrückten Dekreten, die US-Präsident Donald Trump erlässt). Oder vielmehr: Die Migrationsdebatte monopolisiert den Wahlkampf.
Ukraine-Krieg, Woche 155, Krieg in Nahost, Woche 71.
Mich schockiert in der ganzen Diskussion und Polemik, welch' geringe Rolle Menschlichkeit und Gerechtigkeit spielen. Wie wenig auf die Themen geschaut wird, die uns schon seit Jahren um die Ohren fliegen und künftig noch stärker beschäftigen werden – Pflege, Gesundheit, Klimaschutz, Ungleichheit, sozialer Zusammenhalt, Wohnungsnot, Armut... Die Migrationsdebatte macht Migrantinnen und Migranten zu Sündenböcken, sie entmenschlicht und suggeriert, dass mit knallharten Ausweisungen alle Probleme gelöst würden. Das hatten wir schon mal.
In diesem Newsletter finden Sie Texte und Hinweise, die genauer hinschauen und bei denen Menschlichkeit und Weitsicht im Vordergrund stehen.
Zum Abschluss noch zwei Zitate, die mir begegnet sind und zur aktuellen Situation passen.
„Wer Gerechtigkeit sät, wird Frieden ernten” (vgl. Sprüche 11,18; Hosea 10,12)
„Wenn die Gerechtigkeit untergeht, hat es keinen Wert mehr, dass Menschen auf Erden leben” (Immanuel Kant)
Hier kommen noch Tipps und Hinweise:
„Weil einige reich sind, sind viele andere arm”: Der Multimillionär Sebastian Klein hat sich entschieden, einen Großteil seines Vermögens abzugeben. Im sehr lesenswerten Interview mit chrismon erläutert er, warum.
Prantls Blick: Kolumnist Heribert Prantl beleuchtet den Fünf-Punkte-Plan von CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz und fragt nach der Praktikabilität gewisser Forderungen. Ein Beispiel: „Vollziehbar ausreisepflichtig“ sind in Deutschland (zum Stichtag 31. Dezember 2024) 220.808 Menschen. Darunter sind Menschen, die studieren, die arbeiten, die in Deutschland geboren sind. Ihnen wird Haft angedroht, was eine „irrwitzige Verhaftungswelle” zur Folge hätte, so Prantl. Lesen Sie hier den kompletten Beitrag.
Kinder interviewen Politiker: Kinderreporter*innen treffen im Bundestagswahlkampf nacheinander Spitzenpolitiker von Parteien. Die Kurzinterviews sind informativ und unterhaltsam – und verraten einiges über die Kandidierenden. Hier können Sie angeschaut werden.
Kompass statt 5-Punkte-Plan: Prof. Dr. Naika Foroutan, Professorin für Integrationsforschung und Gesellschaftspolitik an der Humboldt-Universität Berlin, formuliert Leitlinien einer progressiven Migrationspolitik und eine tragfähige Zukunftserzählung. Kostprobe: „Die AfD hat es geschafft, einen Diskurs zu etablieren, in dem die Bevölkerung rundherum nur noch Abstieg und Niedergang fühlt – während Deutschland de facto die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt ist.” Hier lesen Sie mehr.
Als Christ in der CDU bleiben? Die beiden Pfarrer Benjamin Graf (der als Spezialvikar eine Zeitlang im Evangelischen Dekanat Vorderer Odenwald war) und Jörg Niesner erläutern ihr Pro & Contra auf Indeon.
Merz-Annäherung an die AfD: Kommentator Oliver Marquart vom Online-Magazin Sonntags der bayerischen Landeskirche beleuchtet die Debatte differenziert. Mein Lieblingssatz: „Wenn alle Politiker*innen pausenlos nur noch über Migration sprechen und diese dabei ständig mit Kriminalität und Bedrohung assoziieren, dann muss man sich nicht wundern, wenn inzwischen zwei Drittel der Deutschen glauben, das wäre das größte Problem.”
Demo in Michelstadt: Das Bündnis „Odenwald gegen rechts” ruft für Samstag, 15. Februar, um 11.55 Uhr auf dem Rathausplatz in Michelstadt zur Kundgebung „Kein Kreuz für rechte Hetze” auf. Der Odenwälder Dekan Carsten Stein wird als Redner mit dabei sein. Infos
Neue Studie von midi: Vier Fünftel der Deutschen empfinden die Gesellschaft als gespalten. Trotzdem sehnt sich die Mehrheit nach Verständigung über die strittigen Fragen der Zeit. Das zeigt die heute veröffentlichte midi-Studie „Verständigungsorte in polarisierenden Zeiten“. Sie liefert wertvolle Einsichten zur Stimmungslage der Menschen in Deutschland und zur Notwendigkeit von Verständigung. Zugleich starten EKD, Diakonie Deutschland und midi, die Zukunftswerkstatt von Kirche und Diakonie, eine breite Kampagne für gesellschaftlichen Dialog.
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Bleiben Sie gesund und behütet,
ich wünsche Ihnen viele Hoffnungsmomente,
Ihre Silke Rummel
Der nächste Newsletter erscheint am Donnerstag, 27. Februar 2025. Hinweise bitte an presse-vorderer-odenwald@ekhn.de.