Dekanat Vorderer Odenwald

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    Denkanstoß

    Vor dem Richterstuhl

    privat

    Was es heißt, für seine irdischen Taten einzustehen - darüber macht sich die Messeler Pfarrerin Elke Burkholz anlässlich der Gedenkgottesdienste zum 80. Jahrestag der Deportation von Jüdinnen und Juden vom Darmstädter Hauptbahnhof aus Gedanken.

    Denn wir alle müssen einmal vor dem Richterstuhl von Christus erscheinen. Dann bekommt jeder, was er verdient. Es hängt davon ab, ob er zu Lebzeiten Gutes oder Böses getan hat.

    In verschiedenen Gemeinden in ganz Südhessen haben wir am Sonntag (20. März) in der Kirche der Deportation von Jüdinnen und Juden in die Vernichtungslager vom Darmstädter Hauptbahnhof aus, gedacht. Jede Gemeinde hat sich an die Menschen erinnert, die aus ihrer Mitte gerissen wurden und dann grausam ermordet wurden.
    In Messel waren das Arthur und Herbert Neu, zwei Namen von Tausend. Herbert war damals 12 Jahre alt. Er wurde zusammen mit seinem Vater Arthur verschleppt. Seine Mutter war 46 Tage vorher im jüdischen Krankenhaus in Frankfurt gestorben.
    Der Ortshistoriker Karl Wenchel hat den Konfirmandinnen und Konfirmanden zwei Geschichten aus dieser Zeit erzählt. Die eine: Herbert musste den Judenstern tragen und war von der Schule ausgeschlossen. Während einer Pause sah er sehnsüchtig vom Zaun aus seinen ehemaligen Freunden beim Spielen auf dem Schulhof zu. Da kam ein Bauer mit einem Ochsenwagen vorbei und hat ihm eins mit dem Ochsenziemer übergezogen. Die andere Geschichte: Die Müller Marie hat versucht kurz vor seiner Abholung Herbert ein paar Bonbons zuzustecken. Sie hat auch vorher der Familie mit Lebensmitteln geholfen. Herbert hat die Bonbons abgelehnt. Er wollte nicht, dass die Marie Ärger bekommt, wenn bei ihm die Süßigkeiten gefunden werden. Es war für Juden verboten, Süßigkeiten zu kaufen.

    Man könnte verzweifeln über die Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten damals wie heute. Wenn ein Diktator ganze Völker in den Abgrund reißen kann, und niemand ihn aufhält und er weiter seine Milliarden genießen kann, dann fühlt man sich so ohnmächtig.
    Aber es gibt eine Alternative zur Verzweiflung. Paulus schreibt im 2. Brief an die Gemeinde in Korinth 5,10: Denn wir alle müssen einmal vor dem Richterstuhl von Christus erscheinen. Dann bekommt jeder, was er verdient. Es hängt davon ab, ob er zu Lebzeiten Gutes oder Böses getan hat.

    Der Bauer, der Herbert neu geschlagen hat, muss vor der Richterstuhl Christi erscheinen. Marie Müller muss vor dem Richterstuhl Christi erscheinen und die  Diktatoren Hitler und Stalin und Putin müssen vor dem Richterstuhl Christi erscheinen und wir müssen das auch. Und das ist gut so.
    Das ganze Unrecht und auch die ganzen guten Taten werden nicht vergessen werden. Jeder bekommt, was er verdient. Es wird einen Ausgleich geben. Es wird offenbar werden, was jeder und jede getan hat. Die Verbrecher an der Spitze eines Staates werden das Leid jedes Einzelnen und jeder Einzelnen, das sie zu verantworten haben, in allen Einzelheiten wahrnehmen müssen. Sie werden weder sich selbst noch andere mehr anlügen können über das, was sie verbrochen haben.
    Und auch wir werden wahrnehmen müssen, was unser Verhalten bei anderen ausgelöst hat und was unsere Taten bewirkt haben, sei es Gutes oder sei es Böses. Auch wir werden offenbar werden müssen vor dem Richterstuhl Gottes. Und auch das finde ich tröstlich. Ich finde es richtig, dass auch meine Illusionen darüber, was für ein guter Mensch ich in meiner Vorstellung gewesen bin, vor dem Richterstuhl Gottes zerschlagen werden. Aber auch meine Vorstellungen darüber, was ich alles schlecht gemacht habe, werden der Klarheit Christi nicht standhalten. Auch ich werde mich nicht mehr über mich selbst belügen können. Und das ist gut so.

    Pfarrerin Elke Burkholz, Evangelische Kirchengemeinde Messel


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