Dekanat Vorderer Odenwald

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    Novemberpogrome

    Die Bettfedern der Nazis

    Dekanat Vorderer OdenwaldEine Tafel erinnert an die jüdischen Bürgerinnen und Bürger aus Schlierbach.

    Auf Initiative des Schlierbacher Kirchenvorstands erinnert künftig eine Gedenktafel an die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden. Am 9. November gibt es weitere Gedenkveranstaltungen im Dekanat.

    Als die jüdischen Häuser in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 in dem kleinen Dorf Schlierbach geplündert wurden, war Lieselotte Küster gerade einmal sechs Jahre alt. „Ich habe die Juden in Erinnerung, auch über Erzählungen meiner Eltern“, sagt die heute 88-Jährige. Sie seien „sehr fleißig“ gewesen. Am Tag nach den Plünderungen sei einer der Schlierbacher Juden ihrer Mutter beim Einkaufen begegnet. Auf seiner Kleidung seien Bettfedern gewesen von der Nacht davor, von den Federbetten, die die Nazis aufgeschlitzt hätten. Er habe ihrer Mutter erzählt, dass er bei einem anderen Ladenbesitzer, ein strenger Nazi und Parteimitglied, kein Brot bekommen habe.

    Lieselotte Küster erinnert sich an noch mehr. Zum Beispiel an Max aus Langstadt, der als Vertreter bei einem Juden in Groß-Umstadt angestellt war und der die Familie regelmäßig mit Waren versorgte. Er kam auch dann noch ins Haus, als die Nationalsozialisten die Juden schon auf dem Kieker hatten – dann aber durch den Keller und gänzlich unbemerkt, „um meine Eltern zu schützen“, berichtet die Schlierbacherin. Was wohl aus Max wurde? Das haben sich Lieselotte Küsters Eltern immer wieder gefragt. 1988 entdeckte Lieselotte Küster auf einer Ausstellung in Groß-Umstadt einen Brief von ihm und erfuhr, dass er überlebt hatte. Da waren aber ihre Eltern schon tot.

    Schräg gegenüber der Kirche lebten Juden
    Seit 1814 lebten jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger in Schlierbach. Das Haus schräg gegenüber von der Kirche galt als „Judenhaus“. Sie waren integriert und angesehen. „In Schlierbach waren sie unauffällig, arbeitsam und bescheiden“, sagt Lieselotte Küster. Das Zusammenleben war friedlich, bis die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Lieselotte Küster erinnert sich daran, dass Buben auf dem Schulweg Steine an das „Judenhaus“ geworfen hätten. Als Einrichtungsgegenstände aus jüdischen Haushalten versteigert wurden, habe sie das zusammen mit anderen Kindern vom gegenüberliegenden Grundstück aus beobachtet und sei dann nach Hause gelaufen und habe ihre Mutter gebeten, ob sie nicht auch etwas von den schönen Sachen kaufen könnten. Die Mutter habe entsetzt abgewehrt.

    Gedenken – nicht Vergessen
    Eine Gedenktafel an der Kirche soll fortan an die Jüdinnen und Juden in Schlierbach erinnern, die von den Nationalsozialisten vertrieben oder ermordet wurden. Pfarrer Philip Messner, der seit Monatsanfang in Wiesbaden-Bierstadt tätig ist, wird dazu am kommenden Sonntag nochmal an seine alte Wirkungsstätte zurückkehren, um mit einem Gottesdienst die Tafel einzuweihen. „Es geht um das Gedenken, darum, den Opfern einen Namen zu geben und sie nicht dem Vergessen preiszugeben“, sagt Philip Messner, dem diese Tafel ein Herzensanliegen war. Für Lieselotte Küster ist das „eine sehr begrüßenswerte Idee“.

    Folgende Namen finden sich auf der Tafel, die vom Kirchenvorstand unterzeichnet ist:  Sophie Buxbaum, gestorben am 8. März 1943 im KZ Theresienstadt, Rudolf Buxbaum, deportiert am 18. März 1942, Schicksal unbekannt, Ernst Buxbaum, gestorben am 25. Juli 1942 im KZ Auschwitz, Rosa Kahn, gestorben am 16. Januar 1944 im KZ Theresienstadt, Mayer und Dina Kahn, geflohen am 15. Dezember 1938, Schicksal unbekannt.

    Die Gedenktafel an der Kirche in Schlierbach wird am Sonntag, 8. November, 15 Uhr, mit einem Gottesdienst eingeweiht. Die Teilnahmezahl ist auf 25 Plätze begrenzt.

     

    WEITERE GEDENKVERANSTALTUNGEN

    Anlässlich der Novemberpogrome gibt es am Montag, 9. November, in Münster eine Online-Andacht. Die Präsenz-Andacht ist aufgrund der steigenden Corona-Zahlen abgesagt. Die Andacht ist abrufbar auf www.martinsgemeinde-muenster.ekhn.de. Zudem ruft das Vorbereitungsteam der Evangelischen Jugend Münster dazu auf, zum Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht eine Kerze anzuzünden im Laufe des Tages an der Gedenktafel am Storchenschulhaus hinzustellen.

    In Groß-Umstadt lädt der Runde Tisch „Jüdisches Leben“ am Montag, 9. November, zwischen 18 und 20 Uhr die Bevölkerung zu einem stillen Rundgang an der Gedenkstätte am Darmstädter Schloss ein. Diese wird illuminiert.

    Zum Gedenken an die Reichspogromnacht 1938 lädt die Michaelsgemeinde Reichelsheim am Montag, 9. November, 20 Uhr, zum  Schweigekreis unterhalb der Kirchenmauer (Bismarckstraße) ein – mit Maske und Abstand. Mit einer kurzen Ansprache, mit Gebet und vorgetragenen Liedern findet die Veranstaltung dieses Jahr ausschließlich im Freien statt, begleitet vom Schein vieler Kerzen. Die ursprünglich vorgesehende Gedenkveranstaltung in der Kirche musste coronabedingt kurzfristig abgesagt werden.

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