Denkanstoß

Geduld, Geduld...

privat

Elke Burkholz, Pfarrerin in der Evangelischen Kirchengemeinde Messel, macht sich in ihrem Denkanstoß Gedanken darüber, wie wir am besten mit der Corona-Pandemie und dem gesellschaftlichen Druck umgehen.

05.09.2020 sru Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback

Ich verliere langsam die Geduld und schaffe es immer weniger, mich auf die Corona-Regeln zu konzentrieren. Ich will endlich wieder meine Freunde umarmen. Und ich will nicht mehr darüber nachdenken, ob der Abstand zu der Person, mit der ich gerade spreche, noch groß genug ist. Die Pandemie soll endlich vorbei sein. Ich will meinen normalen Alltag zurück.

„Geduld, Geduld!“ sagt mein Mann. „Jetzt haben wir ein gutes halbes Jahr überstanden. Wir schaffen das auch noch länger.“ „Was bleibt uns auch anderes übrig!“ entgegne ich frustriert.

„Die Christenheit wartet jetzt schon 2000 Jahre darauf, dass das Reich Gottes auf der Erde verwirklicht wird. Jesus hat gesagt: Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen“, scherzt mein Mann. „So gesehen sind wir geduldig sein gewohnt“, lache ich und fühle mich gleich ein wenig leichter.

Und ich denke: Nicht nur ich bin angespannter als sonst. Nicht nur ich blicke wie das Kaninchen auf die Schlange auf die Infektionszahlen. Alle sind unter Druck. Bei den ambulanten Pflegediensten kann man keinen Abstand zu den Patientinnen und Patienten halten. Und die Leute müssen trotzdem versorgt werden. Und in vielen anderen Berufen und in der Schule ist es auch so. Klar sind alle gereizt. Selbstverständlich kochen in solchen Zeiten Probleme hoch, die es schon länger gibt. Versäumnisse der Vergangenheit werden sichtbar.

Wir alle brauchen jetzt Geduld. Wie müssen die liegen gebliebenen Probleme lösen. Aber das geht nicht von heute auf gleich. Und wenn ich gereizt auf eine Situation reagiere, muss ich mir klar machen, der andere ist gerade auch nicht in Bestform. Geduld, Geduld und ein bisschen Toleranz. Das ist das Gebot der Stunde.

Pfarrerin Elke Burkholz, Evangelische Kirchengemeinde Messel