Dekanat Vorderer Odenwald

Angebote und Themen

Herzlich Willkommen! Entdecken Sie, welche Angebote des Dekanates Vorderer Odenwald zu Ihnen passen. Über das Kontaktformular sind wir offen für Ihre Anregungen.

    AngeboteÜbersicht
    Menümobile menu

    Diskussionsrunde

    „Es gibt einen gesellschaftlichen Auftrag an uns alle“

    Dekanat Vorderer OdenwaldSoziologin Jutta Allmendinger sprach auf Einladung des Gemeinwesenforums "Kirche findet Stadt" in der Evangelischen Hochschule Darmstadt darüber, was die Gesellschaft zusammenhält.

    Unsere Gesellschaft hat Vertrauensrisse, das haben die "Vermächtnisstudien" ergeben. Kirchenpräsident Dr. Volker Jung, Weihbischof Dr. Udo Bentz und Soziologieprofessorin Jutta Allmendinger diskutierten in Darmstadt darüber, was unsere Gesellschaft dennoch zusammenhält.

    Bildergalerie

    Orte der Begegnung, das sind für die Soziologin Jutta Allmendinger Orte, an denen Menschen zusammenkommen, die sonst nicht viel miteinander verbindet und an denen sie neue Erfahrungen machen. „Mein Ort der Begegnung war der Konfirmationsunterricht“, sagt Jutta Allmendinger. Bei ihrem Bruder sei es der Zivildienst gewesen. In Berlin sei es die Bibliothek, in der Theologieprofessoren und Obdachlose nebeneinander säßen. „Dieses Nebeneinander baut Stereotypisierungen ab“, sagt Allmendinger. Und das ist gut, denn Stereotypisierungen und Vorurteile sind Gift für ein vertrauensvolles Miteinander und damit für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

    Gesellschaft mit Vertrauensrissen
    Wie kommen wir gut in die Zukunft? Was hält unsere Gesellschaft zusammen? Welche Rolle spielen die Kirchen? Das waren am Montagabend die zentralen Fragen bei der vom ökumenischen Gemeinwesenforum „Kirche findet Stadt“ initiierten Veranstaltung „Das Land, in dem wir leben wollen“  in der voll besetzten Aula der Evangelischen Hochschule Darmstadt. In ihrem Impuls fasste Jutta Allmendinger, Professorin für Bildungssoziologie an der Humboldt-Universität zu Berlin und Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, ihre 2015 und 2018 erschienenen „Vermächtnisstudien“ zusammen. Rund  3000 Menschen wurden in der ersten Studie zu verschiedenen Themen nach ihren Werten und nach ihrem eigenen Handeln befragt – und teilweise große Abweichungen festgestellt. Für Allmendinger sind das „Vertrauensrisse“, Menschen fühlten sich von anderen nicht unterstützt. Dabei räumt die Soziologin der Bildung eine wesentliche Rolle ein: Vor allem Menschen mit niedriger Bildung, die in „abgehängten Regionen“ lebten, seien frustriert und fühlten sich „unwirksam“.

    In der zweiten Studie konzentrierte sich der Blick der Sozialforscher auf die Frage, wie die Menschen sich die Gesellschaft in Deutschland vorstellen und was sie denken, wie andere sich die Gesellschaft vorstellen. Zwischen beiden Sichtweisen gibt es wieder große Unterschiede, Vertrauensrisse also auch hier. Beispiel Erwerbsarbeit, der nach wie vor eine zentrale Bedeutung zukommt: Die Menschen haben Sorge, dass ihre Arbeitsstellen durch die Digitalisierung wegfallen. „Aber wir reden nicht über die Umgestaltung institutionalisierter Lebensläufe“, so Jutta Allmendinger. Dabei sei das „deutsche Modell“ – eine Ausbildung, 40 Jahre im selben Beruf – „vollständig überholt“. Stattdessen müssten die Menschen fit gemacht werden für Bereiche, in denen sie gebraucht werden. Allmendingers Fazit: „Wir brauchen eine Politik des Vertrauens.“

    Zeit für Begegnung
    Wesentlich dafür sind die Orte der Begegnung, an denen Menschen unterschiedlicher Prägung zusammenkommen. Für Weihbischof Dr. Udo Bentz, Generalvikar des Bistums Mainz, kann das auch die Mainzer Weinstube sein, in der es kein Recht auf einen eigenen Tisch gebe und also alle zusammensitzen und miteinander ins Gespräch kommen könnten, sagte er in der anschließenden, von Silke Sutter (Hessischer Rundfunk) moderierten Diskussion. „Es braucht Orte der Begegnung, es braucht aber auch Zeit für Begegnung“, ergänzte der hessen-nassauische Kirchenpräsident Dr. Volker Jung. Und Institutionen: „Eine Gesellschaft funktioniert nicht, wenn es nicht auch Institutionen gibt, denen ich mich verbunden fühle und die mich respektieren.“

    Die Kirchen hätten ein „unglaubliches Potenzial“, sagte Allmendinger, dieses schöpften sie  jedoch nicht aus. Sie sollten sich stärker für alle Generationen öffnen und zu den Menschen gehen. „Wir müssen viel mehr machen, was eben nicht zielgruppenorientiert ist“, forderte die Soziologin, „wir leben diese Öffnung nicht.“ Sie selbst habe sich deshalb einen Bus gekauft, mit denen sie zu den Interviewten fahre. „Die Leute kommen nicht in Etepetete-Gebäude.“

    Beispielhafte Kirche
    Die Kirchen hätten ein sehr vielfältiges Angebot, sagte eine Lehrerin aus dem Publikum, es sei aber nicht mehr schick, kirchengebunden zu sein. Gemeinden seien ein Ort für alle, bemerkte ein Mann. Die Kirchen könnten überlegen, wie Dinge beispielhaft umgesetzt werden könnten, regte eine Frau an, zum Beispiel in ihrer Rolle als Arbeitgeber. Das wäre wünschenswert und werde auch versucht, sagte Volker Jung. Aber auf manche Faktoren, zum Beispiel in Kindertagesstätten, wo die Kommunen mitredeten, hätten sie keinen Einfluss: „Wir sind als Kirche Teil dieser Welt, wir sind aber nicht das Paradies in dieser Welt.“ Gleichwohl versuche die EKHN, Gedanken zu öffnen und in die Gesellschaft einzubringen – wie mit dem neuen Familienpapier, das auch gleichgeschlechtliche Ehen vorsehe, so Jung.

    „Orte der Begegnung, die Nahperspektive, face to face, das ist für mich das A und O“, sagte Udo Bentz. Einzelne lokale Initiativen hätten einen unschätzbaren Wert für die Gesellschaft vor Ort. „Die Tatsache, dass so viele lokale Initiativen nicht bekannt sind, zeigt genau, dass sie von unten wachsen und nicht von oben bestimmt werden.“ Allmendinger hingegen ist vieles zu klein-klein. An erster Stelle stehe: „Es gibt einen gesellschaftlichen Auftrag an uns alle!“ Der Ökumenische Kirchentag 2021 in Frankfurt werde ein starkes Signal nach außen senden, sagte Jung.


    HINTERGRUND
    Zum ökumenischen Gemeinwesenforum „Kirche findet Stadt“ gehören: Bundesarbeitsgemeinschaft Soziale Stadtentwicklung und Gemeinwesenarbeit e.V., Caritasverband Darmstadt e.V., das Diakonisches Werk Darmstadt-Dieburg, Evangelische Hochschule Darmstadt, Evangelisches Dekanat Darmstadt-Stadt, Evangelisches Dekanat Darmstadt-Land, Evangelisches Dekanat Vorderer Odenwald, Katholisches Dekanat Darmstadt, Katholische Arbeitnehmer/innen- und Betriebsseelsorge Südhessen. Es organisiert regelmäßig Veranstaltungen mit sozialpolitischen Fragestellungen.


    Diese Seite:Download PDFDrucken

    to top