Dekanat Vorderer Odenwald

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    Ein glühender Nazi bis zum Schluss

    Rebecca KellerFamiliengeschichte ist nicht immer erfreulich: Dr. Hartmut E. Arras hat das Leben seines Vaters aufgearbeitet.

    Dr. Hartmut E. Arras hat die Geschichte seines Vaters Erwin Arras aus Groß-Zimmern aufgearbeitet und eine Biografie vorgelegt. Auf Einladung der Evangelischen Dekanate Vorderer Odenwald und Darmstadt-Stadt und des Bündnisses „Bunt ohne Braun“ hielt er im Offenen Haus in Darmstadt einen Vortrag.

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    Von Rebecca Keller

    „Mehr als befremdlich“ bezeichnet Dr. Hartmut E. Arras die Geschichte seines Vaters Erwin Arras. Geradezu abstoßend wirken die Zitate, die er bei seinem Vortrag am Donnerstag im Offenen Haus von dem Vater, dem glühenden Nazi, liest. Zehn Jahre lang hat sich Dr. Hartmut E. Arras, Architekt und Stadtplaner in Berlin, mit der braunen Vergangenheit des Vaters beschäftigt. Der fiel Ende 1942 in Russland, da war er selbst als jüngstes von vier Kindern erst drei Jahre alt. „Ich habe meinen Vater nicht gekannt“, sagt der heute 79-Jährige, „und habe kein emotionales Verhältnis zu ihm.“

    Dass er überhaupt von der Nazi-Vergangenheit seines Vaters erfuhr, geht auf eine Begegnung vor 19 Jahren zurück, als sich im Gespräch mit einer Kollegin herausstellte, dass sein Großvater Ernst Arras dafür mitverantwortlich gewesen sein soll, ihren Großvater, den Kommunisten Heinrich Angermeier aus Groß-Zimmern, ins KZ gebracht zu haben. Dr. Hartmut E. Arras recherchierte weiter. Jetzt hat er die Biografie seines Vaters „Vom Freischärler zum Propagandisten des Nationalsozialismus“ auf 544 Seiten im Donat-Verlag vorgelegt. Zu dem Vortrag im Offenen Haus hatten die Evangelischen Dekanate Vorderer Odenwald und Darmstadt-Stadt sowie das Bündnis „Bunt ohne Braun“ eingeladen.

    Karriere bei der NSDAP

    Dr. Hartmut Arras fand heraus, dass sein Großvater, der Schulleiter Ernst Arras, der 1909 nach Groß-Zimmern kam, hier später stellvertretender Ortsgruppenleiter der NSDAP war. Sohn Erwin Arras wurde 1905 in Steinau (Fischbachtal) geboren und wuchs in Groß-Zimmern auf. Er machte 1924 an der Ludwig-Oberrealschule, der heutigen Lichtenbergschule, in Darmstadt Abitur und schloss sich schon mit 17 Jahren der rechtsradikalen paramilitärischen „Gruppe Damm“ ein, später Teil des geheimen Feldjägerdienstes. Als er 13 war, verlor er seine Mutter, ein „Schock, der sein Leben prägte“. Erwin Arras machte eine kaufmännische Lehre und schloss ein Studium zum Handelslehrer in Frankfurt ab. 1932 nahm er eine Stelle in Bad Oldesloe an und heiratete. Im selben Jahr wurde er Mitglied der NSDAP, übernahm schnell Parteiämter, machte als Kreispresseamtsleiter Propaganda, wurde Redner und Beauftragter des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP. Kriegsbegeistert zog er als Soldat nach Frankreich, 1941 als Standortkommandant nach Russland, wo er am 30. Dezember 1942 durch eine Granate starb.

    Wie konnte sein Vater Erwin Arras zu einem glühenden Nazi werden? fragte Dr. Hartmut E. Arras. Er habe unter dem Einfluss seines Vaters Ernst, aber auch der Ereignisse der Zeit gestanden. In seinem Heimatort Groß-Zimmern sei der Nährboden hierfür vor 1933 noch nicht da gewesen, wie Dr. Manfred Göbel, Heimathistoriker und Leiter der Edith-Stein-Schule Darmstadt, der den Vortrag im Offenen Haus besuchte, sagt. In Groß-Zimmern habe es vor 1933 vielmehr eine starke kommunistische Fraktion gegeben, so Dr. Manfred Göbel. Auch bei den Reichstagswahlen 1933 erhielt die KPD noch die meisten Stimmen vor NSDAP, Zentrumspartei und SPD.

    Dies geht aus der Biografie von Marianne Lebrecht über ihren Vater Pfarrer Heinrich Lebrecht hervor. Der schloss sich 1934 mit seiner Gemeinde in Groß-Zimmern der Bekennenden Kirche an. Ernst Arras ging gegen den Pfarrer vor. Die politische Situation in Groß-Zimmern wendete sich ab 1933, KPD-Mitglieder wurden verhaftet, Hakenkreuzfahnen gehisst, der Nazi Friedrich Bauer wurde Bürgermeister. Karl Rupp, Lehrer an der Goetheschule in Dieburg, der den Vortrag auch besuchte, berichtet an dem Abend von seiner Mutter Margarete, aus katholischem Elternhaus, die nicht in Hitlers „Bund Deutscher Mädchen“ eintrat und von Lehrer Ernst Arras abgewertet wurde, indem sie etwa bei Ausflügen hinter der Gruppe herlaufen musste. Dr. Hartmut E. Arras' Resümee: „Verantwortung übernehmen, dass es nicht wiederkehrt, Wachsamkeit ist geboten“.

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